Pressemeldung der BI Pasinger Grün von der Demo am 22. Juli 2023
750 Euro zahlt ein Bauträger Ablöse dafür, dass er einen 80 bis 100 Jahre lang gewachsenen Baum fällt. Angesichts der in der Pasinger Waldkolonie bezahlten Grundstückpreise, die schon mal bei 4 Millionen für ein Einzelgrundstück liegen, ist das noch nicht einmal ein Peanut, findet die BI Pasinger Grün und mit ihr viele TeilnehmerInnen einer Veranstaltung zum Thema „Baumschutz in der Waldkolonie“ am vergangenen Samstag.
Die BI Pasinger Grün setzt sich seit der Fällung der Mühlerwegeiche für den Erhalt von Stadtgrün ein, im Verbund mit vielen anderen Initiativen unter dem Dach des Bund Münchner Bürgerinitiativen e. V. (BMBI).
Großes Interesse an einem Umdenken beim Baumschutz
Bei der Veranstaltung diskutierten im Schatten eines großen Ahornbaums rund 70 Teilnehmerinnen aus mehreren Stadtteilen mit Experten für Biodiversität und Baumschutz, Nachverdichtung und die geltende Rechtslage zum Grünschutz. Sie appellierten an die beiden teilnehmenden Landtagskandidatinnen Katja Weitzel (SPD) und Julia Post (Grüne), endlich auch im Landesbau- und Umweltrecht für mehr Baumschutz zu sorgen.
Reiner Lang von der BI Pasinger Grün erläuterte, dass die Auslegung des § 34 Baugesetzbuch durch die Lokalbaukommission in München gegen das Grundrecht auf Leben und Gesundheit verstößt.
Alibi Pflanzungen auf Kosten der Gesundheit der Bürger
Um den Kühlungseffekt eines 100 Jahre alten Baumes zu „ersetzen“ müsste die Stadt nach den Berechnungen von Wissenschaftlern rund 2000 Kleinbäume pflanzen, berichtete bei der Veranstaltung Karin Mengele, Biologin Feldornithologin und Aktive bei NABU und anderen Umweltorganisationen.
Durch die massiven Fällungen in der Waldkolonie und anderen Teilen der Stadt (neben Trudering und Thalkirchen/Obersendling/Forstenried/Fürstenried erlebte Pasing 2022 die meisten baubedingten Fällungen) heizen sich nicht nur die entsprechenden Viertel weiter auf. Die Stadt München verliert durch die unkontrollierte Nachverdichtung ihre Frischluftschneisen, wie Dr. Herbert Stepp vom Grünzug Netzwerk Würmtal e. V bei der Veranstaltung verdeutlichte.
Stadt und Lokalbaukommission riskieren durch diese Politik die Gesundheit ihrer Bürgerinnen. Die immer erwähnten Nachpflanzungen, von denen viele trotz erheblichen Aufwands der Stadtgärtnerei (Substrate, Bewässerungskonzept) niemals große Schatten- und Sauerstoffspender werden, sind kein Ersatz, sondern eine „reine Alibiveranstaltung“, unterstrichen mehrere Teilnehmer.
Fehlende Transparenz – fehlender politischer Wille? Beispiel Münchner Baumkataster
Sichtbar gemacht werden könnte die dramatische Entwicklung, die sich in München vollzieht, durch mehr Transparenz. Doch das Münchner Baumkataster, das schon seit einem Jahrzehnt versprochen ist, gibt es bis heute nicht. Zu zeitaufwändig, zu teuer und allenfalls für den öffentlichen Raum zu leisten sei solch ein Überblick über alte Baum- und Grünbestände, wurde auch der BI Pasinger Grün mehrfach entgegengehalten.
Wie leicht sich der Schwund aber sichtbar machen läßt, zeigte bei der Veranstaltung am Samstag dagegen der Informatiker Tsungi Lyn. Er hat in seiner Freizeit ein Software Werkzeug entwickelt, mit dem sich auf Basis aktueller Luftbilder Status und Entwicklung perfekt – auch für das Auge der Bürger – dokumentieren lässt.
Die Europaabgeordnete Jutta Paulus (Grüne) bestätigte, Baumkataster könnten etwa auf Basis der Satellitenbilder des EU Projekts Kopernikus einfach erstellt werden. Was fehlt, ist der politische Wille.
Europaabgeordnete: Werden Sie aktiv, üben Sie Druck aus!
Paulus gab bei der Veranstaltung in einem Videointerview Einblicke in den Schutz des Stadtgrüns im geplanten EU Gesetz für Naturwiederherstellung. Die Abgeordnete riet den Mitgliedern der BI Pasinger Grün und allen Teilnehmern der Veranstaltung, nicht auf den Gesetzgeber zu warten, sondern aktiv Druck auf Politik und Behörden auszuüben.
Die BI Pasinger Grün plant in diesem Sinn, mehrere Wege zu beschreiten:
Erstens, wird sie gegen das Festhalten am Mantra „Baurecht schlägt Baumrecht“ vorgehen.
Diese steht klar im Widerspruch zu einer verfassungsmäßigen Auslegung geltender Baugesetze, sagt Reiner Lang. In seinem Klimabeschluss hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass die Grundrechte auf Leben und Gesundheit “vor Beeinträchtigungen” “durch Umweltbelastungen” schützen, und zwar “gleich durch wen oder” wodurch “sie drohen”. Die Entgrünung der Viertel mit ihren Hitze-steigernden Effekten ist mehr als eine Beeinträchtigung. Sie wird mehr und mehr zu einem gesundheitlichen Risiko für die StadtbewohnerInnen.
Ziel der BI ist es, für entsprechende Grundsatzurteile zu streiten. In einem laufenden Verfahren tut dies bereits heute der Grünzug Netzwerk Würmtal e. V..
Zweitens, will die BI das Thema Baumkataster voranbringen. Statt weiter die Kosten zu beklagen, muss die Stadtverwaltung noch in dieser Legislatur ein für die Öffentlichkeit nutzbares Kataster aufsetzen. Arbeiten wie die von Tsungi Lyn will die BI zugleich durch Vernetzung mit anderen Organisationen und Hochschulen fortführen.
Drittens, wird die BI sich gemeinsam mit anderen Stadtgrün-Bürgerinitiativen und zusammen mit dem Bund Münchner Bürgerinitiativen für eine echte Verschärfung der Münchner Baumschutzverordnung einsetzen, deren Novelle im Herbst auf Stadtratsebene diskutiert wird. Eine der BI-Forderungen lautet: Über 100 Jahre alte Bäume dürfen grundsätzlich nicht gefällt werden.
Viertens, bereitet sich die BI Pasinger Grün schon vor, die mit Beginn der Fällperiode im Herbst anstehenden weiteren Fällungen im Viertel mit Protestaktionen zu begleiten.
Bei der Veranstaltung am Samstag konnten eine Reihe weiterer Mitglieder gewonnen werden.
Für weitere Fragen stehen Ihnen die Mitglieder der BI jederzeit per Email zur Verfügung
So kriegen wir den Weg zur grün-blauen Stadtplanung nicht hin. Am Sonntag solls schon wieder 32 Grad geben, wieviel bedeutet das in der heißesten Wohnung der Stadt? Nächsten Frühling bekommen wir dann die Statistik der Hitzetoten vorgelegt.
Verbietet Tiefgaragen und das, wofür man sie bisher bauen muss. Und die bestehenden lassen sich doch gewiss mit überschaubarem Aufwand abdichten und zu Zisternen umbauen.
Da will die grüne Stadtratsfraktion unbedingt den Platz vor der Oper begrünen und unternimmt nichts gegen die permanente Abholzung in der Stadt. 2500 Bäume pro Jahr werden gefällt. Keine einzige Neupflanzung, auch nicht die erforderlichen 2000 können die positive Wirkung eines alten 100-jährigen Baumes ersetzen. Egal wo in München, es werden kleine Häuschen abgebrochen, 08/15 Häuser mit maximaler Ausnützung des Bodenrechts und Tiefgaragen bis an die Grundstücksgrenzen gebaut, so dass auch in den bislang wunderschönen Gartenstädten allenfalls “Ersatzpflanzungen” , falls überhaupt, genehmigt werden; Ebereschen z.B., die aufgrund der heurigen Trockenheit schon wieder aufgegeben haben. Solange Baurecht Baumrecht bricht, wird jedem Investor volles Baurecht zugestanden. Ein Baum ist eben nur ein Baum – und was sind schon 750 € bei den Gewinnerwartungen. Lächerlich!
Liebe Frau Windsperger,
vielen Dank für Ihren sehr guten Kommentar!
Auf ein häufiges Missverständnis möchte ich zu den Baumfällungen hinweisen: die Zahl 2500 wird immer genannt für den jährlichen VERLUST an der ANZAHL Bäume in München – tatsächlich ist es viel schlimmer – 2022 sind über 7000 Bäume gefällt worden** – und dabei werden nur die gezählt, deren Umfang mindestens 80 cm beträgt (s. Baumschutzverordnung). 2500 bedeutet also einen zahlenmäßigen Baum-Bilanz-Wert.
Nachgepflanzte Bäume (im Jahr 2022 über 6000) sind immer Jungbäume, d. h. viel kleiner – in der Baumbilanz zählt denn für einen gefällten zB 80jährigen Baum ein 10jähriger genauso; obwohl der Verlust an Biomasse und Kronenvolumen riesig ist (“6000 dünne Bäumchen anstelle von 6000 Großbäumen) für Erholungswert und die Klimabilanz. Die Stadt müsste da endlich mit ehrlichen Zahlen fürs Baum-Grün arbeiten…
Die Zahlen für 2022 kann man auf dieser Seite hier nachlesen:
** https://buergerdialog.online/blog-post/rathausumschau-vom-3-juli-2023-baumschutzbehoerde-stellt-baumbilanz-2022-vor/
“Die Gesamtbilanz, die auch die Zahlen des Baureferats berücksichtigt, umfasst somit 7.786 Baumfällungen und 6.438 Ersatzbäume.”