Tagesspiegel vom 22. April 2022: Plädoyer für ein neues Bauen der Zukunft – Runter vom Holzweg

Was wäre wirklich klimaneutral? Der Ingenieur Werner Sobek liefert verlässliche Daten zur Umwelt- und Baupolitik – und fordert einen radikalen Systemwechsel.

Er hat als Ingenieur das Sony Center in Berlin gebaut, den Thyssenkrupp Aufzugtestturm in Rottweil, das Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart, das WM-Stadion in Sao Paulo, das Nationalmuseum in Katar und Hochhäuser in aller Welt. Werner Sobek arbeitete dabei jeweils mit den namhaftesten Architekten, hat Preise und Ehrendoktortitel gesammelt.

…..Sobek hat festgestellt, dass es Wichtigeres zu tun gibt. Bei der Entwicklung energiesparender Bauweisen und Nullenergiehäuser hat er den Blick stets aufs Ganze gesucht und erkannt, dass umweltbezogene Daten und Fakten, mit denen allgemein gearbeitet und argumentiert wird, häufig falsch sind. Es fehlt an Verknüpfungen, an Bewertungen, an der konsequenten Interpretation der verfügbaren Daten. Und er hat festgestellt, dass die besorgniserregenden Erkenntnisse der Wissenschaft nur höchst unzureichend in die politische Öffentlichkeit kommuniziert werden.

…Auch ist Holzanbau, das rechnet Sobek vor, keineswegs der unproblematische Königsweg, sein Effekt an CO2-Einsparung weitaus geringer als von Umweltpolitikern herbeigeredet.

…..Bauwesen trägt nicht zu 40, sondern zu 55 Prozent zum CO2-Ausstoß bei

Ein Beispiel: Die seit zwei Jahrzehnten kolportierte Gewissheit, dass der Betrieb des Gebäudebestands 40 Prozent des Primärenergieverbrauchs verursache. Es sind zwar nur 38 Prozent, doch das Bauwesen ist in signifikant höherem Maß für den CO2-Ausstoß verantwortlich. Denn Herstellung der Baumaterialien, Transport, Bau, Abriss und Recycling sind mitzurechnen, und schon ist man einschließlich Tief- und Verkehrsbau bei 55 Prozent.

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Frank Jaeger, Tagesspiegel

Foto: Beispiel, der Bau der beiden Hochhäuser an der Paketposthalle verbraucht sehr viel CO2

2 Kommentare

  1. …und dennoch wirbt die Stadt für den Holzbau, weil damit ja endlich alles nachhaltig ist (auch das weitere Versiegeln der Stadt??)
    siehe:
    sz, 11.5.2022, USteinbacher:
    https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-holzbau-haus-wohnung-foerderung-1.5582246
    „Der Pressetermin anlässlich des neuen städtischen Holzbauförderprogramms am Dienstag nimmt teilweise den Charakter einer Werbeveranstaltung für den Baustoff Holz an. Und das ist durchaus gewollt, denn noch hat niemand einen Zuschuss aus dem neuen Topf (60Mio für 6 Jahre) beantragt, obwohl das seit 1. März möglich wäre.“

    – und hier werden auch einige Gründe genannt, zB, dass die Baugenehmigungen für Wohnungsbau in Deutschland 2021 den höchsten Stand seit 1999 erreicht haben-außerdem:
    „In deutschen Wäldern wurde im vergangenen Jahr so viel Holz geschlagen wie noch nie. Trotzdem ist der Preis für Bauholz auf Rekordhöhe gestiegen. Wie kann das sein – und welche Folgen hat das?“
    sz, 07.05.2022 (print)
    Holz: Warum Bauholz so teuer ist – und welche Folgen das hat
    leider sz-Plus:
    https://www.sueddeutsche.de/kolumne/holz-kosten-bauen-haus-1.5578269?reduced=true

  2. Als Hauptproblem der gesamten Klimadiskussion und der Verringerung der CO2-Produktion sehe ich den Wohnraum, speziell die Wohnraumgrößen. Von Arbeits- und Industrieräumen will ich hier nicht reden.

    Je mehr Wohnraum wir hier in D haben – wenn es stimmt, dann durchschnittlich über 40 m² pro Person – desto mehr Wohnraum heizen wir. Würden sich zwei Personen 40 m² teilen, schaut die Rechnung anders aus. Doch das ist Theorie und erinnert an die Wohnungszwangsbewirtschaftung
    bis zum WEG unter Wohnungsbauminister Paul Lücke.

    Laut Fachverbände verbrauchen wir aber die meiste Energie für das Heizen. Erzeugen wir demnach Energie aus konventionellen Brennstoffen, immerhin noch rund 50 % lt. Fraunhofer-Gesellschaft ( energy-charts.info/index.html?l=de&c=DE ), dann produzieren wir ungeachtet toller Filter Schadstoffe
    in ungeheuren Mengen. Weniger Fläche pro Person, siehe oben, würde die Mengen reduzieren. Doch das ist, wie oben gesagt, hier bei uns wohl nur Theorie, auch wenn es in vielen anderen Ländern, deren Standards wir aber nicht haben wollen, geht.

    Deutlich kleinerer gut gedämmter Wohnraum für alle wäre angezeigt – aber wohl kaum machbar.
    Entwicklungen wie der im TS-Artikel beschriebene sind nicht neu und zielen in die Richtung Baustoffe und Bauart. Das ist ok, ändert aber nur marginal Raum-, Heiz und Versiegelungsprobleme.

    Nein, ich habe keine allgemeingültige Lösung, mach mir aber Gedanken. Denke auch, dass wir die Energie- und Klimadiskussion seit vielen Jahren zu einseitig führen.
    Wenn Wohlstand und Wohnqualität gewünscht ist, und davon gehe ich nach meiner Lebenserfahrung aus, müssen wir wohl den Umweltvernichtungs-Preis dafür bezahlen.
    Das ist ehrlich, aber weniger gern gehört und umgesetzt. Aber vielleicht wird der Preis, auch Geld gemeint, für viele unbezahlbar und wir stecken zwangsweise zurück.
    Ob da Entwicklungen im Baustoffbereich helfen können, weiß ich nicht, denn auch die Produktion und der Erwerb von Baustoffen haben ihren Preis.

    Dennoch, ein spannendes und wohl bis zum Ende des homo saphiens andauerndes Thema.

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