Bauwelt 7/2022: Wolfgang Jean Stock schreibt dort: Was braucht München?

Seit dem Bau der Bayerischen Staatskanzlei Anfang der 1990er Jahre war in München kein Projekt derart umstritten wie die aktuelle Hochhausplanung von Herzog & de Meuron auf dem Paketpostareal. In Fachwelt und Bürgerschaft wächst der Widerstand.

München hat eine unrühmliche Tradition: Hier herrschte schon vor Jahrzehnten eine große Wohnungsnot. Und eine rühmliche: Seit den 1960er Jahren gibt es eine bürgerschaftliche Opposition gegen Gentrifizierung, Mietervertreibung und Spekulantentum – ein Sprachrohr mit Gewicht ist das 1968 gegründete „Münchner Forum“ (Bauwelt 19.2021). Der Protest richtet sich immer wieder gegen Projekte von kommerziellen Investoren, die der Stadt ihren Stempel aufdrücken wollen.

….Vor diesem Hintergrund kann man verstehen, dass seit nunmehr drei Jahren eine heftige Debatte über die Planung auf dem Paketpostareal im Stadtteil Neuhausen geführt wird. Benannt ist das 87.000 Quadratmeter große Gelände nach der 1969 fertig gestellten Paketposthalle, seinerzeit die weitestgespannte Halle der Welt aus Betonfertigteilen. Dieser denkmalgeschützte Ingenieurbau wird derzeit noch als Briefzentrum von der Deutschen Post genutzt, die das Areal im Sommer 2018 an die Unternehmensgruppe von Ralf Büschl verkaufte, einen der großen Münchner Investoren.

Ein Jahr später, im Juli 2019, legte Büschl eine Planung vor, die sofort die Münchner Gemüter erhitzte. Die von ihm beauftragten Architekten Herzog & de Meuron schlagen vor, die Halle auf drei Seiten zu umfassen: sowohl durch sechsgeschossige Wohnblöcke mit schmalen Innenhöfen als auch durch zwei 155 Meter hohe Türme mit gemischter Nutzung. Das Echo auf die Hochhäuser konnte gespaltener nicht sein – in Politik und Presse wurde der Entwurf überwiegend begrüßt, in Bürgerschaft und Fachwelt jedoch begann sich der Widerstand zu formieren.

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2 Kommentare

  1. “Versäumte Verantwortung”
    nennt Wolfgang Jean Stock zurecht das zeitige Nicht-Handeln der Planungsreferentin, des Stadtrats und der Stadtspitze beim Bebauungsplan Paketposthalle. Obgleich die Planungshoheit laut Baugesetzbuch bei der Kommune liegt, überläßt man dieses wichtige Instrument der Stadtentwicklung einem Investor. Absolut unverständlich!
    Der legt als Köder einen Entwurf mit zwei 155 m hohen Hochhäuser vor. Sein Plan geht auf: denn alle Welt stürzt sich auf diese beiden Hochhäuser. Die exorbitant hohe Dichte des Gesamtkomplexes, nur in Kerngebieten möglich, wird nicht gebührend im Grundsatz thematisiert. Herr Büschl sagt, wenn nicht die beiden 155 m hohen Hochhäuser, dann eben fünf kleinere. Aber die Dichte bleibt. Unwidersprochen. Die macht den Profit aus.
    Erregt diskutiert wird die an dieser Stelle das Stadtbild und Schloss Nymphenburg schädigende Höhe, die enorme Verschattung, soziale, ökologische und ökonomische Verwerfungen, die diese Hochhäuser bedingen werden. Und zwar zurecht. Jedoch wesentliche soziale, verkehrliche, infrostrukturelle Fragen der Gesamtbebauung bleiben in der Stadtdiskussion aussen vor: Keine ausreichenden Grünflächen, die geringen Abstandsflächen bedingen Situationen, wie man sie aus den Berliner Hinterhöfen kennt. Passend für die Sozialwohnungen! Die verkehrliche Erschließung für die gesamte Bebauung nur untererdisch, auch für Lieferdienst und Taxen. Der Anschluss der neuen Bebauung und der Paketposthalle mit großem Publikumsverkehr an das städtische Straßensystem wird problematisch sein.
    Hinzu kommt, dass die geplante Bebauung ein ca. 300 m breiter und mindestens 10 m bis 12m tiefer geschlossener Riegel ist, der den Grundwasserstrom von Süd nach Nord blockiert. Problematisch auch das Abführen des Niederschlagwassers bei Starkregen.
    Veranwortung sollte nun die Stadtplanung übernehmen nicht die Bürger*innen des “Bürgergutachtens”.

  2. “Partizipationstheater”, treffender hätte ich das, was da gerade in München vor sich geht, nicht beschreiben können. Und weiter:
    “Investor Büschl beharrt bislang auf seinen Plänen und arbeitet dabei mit Zuckerbrot und Peitsche. Einerseits lockt er mit dem Versprechen, die Paketposthalle für kulturelle und soziale Zwecke zu öffnen, wobei bis heute unklar ist, wie hoch die Kosten allein für die Sanierung der Halle ausfallen würden.”
    Unklar – oder streng geheim – ist auch, wieviel der Investor für das Grundstück mit dem Baudenkmal Paketposthalle bezahlt hat.
    Unklar ist auch, was dort genau stattfinden soll und wer die Bespielung und Pflege künftig finanziert.
    Unklar ist auch, wie die Halle instandgesetzt werden soll. Gab es – wie in solchen Fällen üblich – ein Vorprojekt und Konzept zur Instandsetzung?
    Versucht “Investor” Büschl – wie so oft – durch “Intensivkommunikation” mit Heller und Partner, maximales Baurecht zu schaffen, und fällt am Ende die denkmalgeschützte Halle als “unsanierbar”? Es wäre nicht das erste mal, dass Büschl ein denkmalgeschütztes Gebäude plattmacht. Warum man solchen Denkmalverächtern überhaupt noch Denkmäler verkauft, sollte man die Verantwortlichen für den Verkauf des Geländes durchaus fragen. Welche Rolle spielen welche Personen in diesem München-Monopoly?

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