Wie eine Bausünde entstehen und ein Denkmal verschandelt werden soll

Dem Bericht des Münchner Merkur vom 22.12.2022 über die Sitzung des Bezirksausschusses Schwabing-West
„Streit um Aufzüge und Balkone. Wegen Umbau: Sorge um Wohnqualität an der Hohenzollern- und der Herzogstraße“ sind noch einige Details hinzuzufügen, die für die Beurteilung des Geschehens unerlässlich sind:

Die Baycon Firmengruppe, Immobilieninvestor, stellt auf ihrer Webseite die Hohenzollernstraße 54 vor:
Projekte München Schwabing
In bester Schwabinger Lage wurde Ende 2021 ein Jugendstil-Denkmal erworben, bestehend aus Vorder-, Seiten und Rückgebäude. Das Gemeinschaftseigentum wird umfassend renoviert und das Dachgeschoss im Rückgebäude mit einer Fläche von rund 300 m2 zum Penthouse ausgebaut…
Projektzeitraum: 2022 – 2024
Projektvolumen: ca. Euro 35,0 Mio.“

(https://www.baycon-firmengruppe.de/projekte/muenchen-schwabing/)

Ein Penthouse sollte es sein – ein Nonplusultra bei der Vermarktung eines Wohnhauses, auch wenn Jugendstil-Denkmäler nicht unbedingt auf den Ausbau von Penthäusern angelegt sind. Ein Architekturbüro wurde angemietet, das Erfahrung mit Baudenkmälern hat. Die Vorschläge, die die Architekten im Dienst des Auftraggebers erarbeiteten, folgte den Vorgaben des Auftraggebers, entspricht den Erfordernissen der Zielgruppe. Penthouse, Außenaufzüge, Balkone.

Die Bausünde ist vorprogrammiert

Zum Lebensstil der Zielgruppe gehören gewisse Bequemlichkeiten – in ein Penthouse geht man nicht zu Fuß. Da an keiner Stelle ein Treppenauge vorhanden ist, „müssen“ Außenaufzüge gebaut werden, auf Kosten der denkmalgeschützten Fassade, auf Kosten der historischen Fenster – ein Jugendstil-Denkmal macht sich gut auf der Webseite, interessiert aber nicht wirklich, wie man sehen kann:

Ein Aufzugsturm soll lt. Planung zwischen den Loggien und den links daneben liegenden Fenstern gebaut werden. Zwei Stege vom Aufzugsturm sollen jeweils in Höhe des Oberlichts an den Loggien vorbei zu den Zwischengeschossen im Treppenhaus führen; die Fenster dort sollen durch Zugangstüren ersetzt werden.
Für die Benutzer der Loggien bedeutet das: nach links ca. 1 Meter Abstand zum Seitengebäude, nach rechts kein Abstand zum Aufzugsturm (Mindesttiefe ca. 1 Meter). Zumindest an 2 Parteien führen die Stege in Höhe des Oberlichts vorbei, diese werden durch Aufzug und zusätzlich Stege vor Sonnenlicht abgeschirmt und dürfen den Nachbarn direkt vor ihrer Nase beim Flanieren zuschauen.

Mit dieser Aufzugkonstruktion wird keine Barrierefreiheit erreicht: die Stege führen zu Zwischengeschos-sen, der Aufzug ist also nicht, wie vom Gesetz vorgeschrieben, „von allen Wohnungen in dem Gebäude und von der öffentlichen Verkehrsfläche aus stufenlos erreichbar“. (Art. 37 Abs. 4 Bayerische Bau-Ordnung)
Auch der Denkmalschutz, der für auf der Webseite angepriesenen Jugendstil-Denkmals gilt, spielt bei dieser Konstruktion keine Rolle. Eugen Dreisch erwarb das Anwesen Hohenzollernstraße 54 und gestaltete es nach seinen eigenen Vorstellungen: Die Fassade, ohne Ornamente und Schnörkel angelegt, wirkt durch die Anordnung von Loggien und originalen Sprossenfenstern in unterschiedlicher Höhe und Breite, in ihren Proportionen und Abständen gegeneinander versetzt und fein aufeinander abgestimmt – dies zusam-men mit Erkern und Vorsprüngen gibt der Fassade Struktur und Harmonie. (Mehr dazu ist auf folgenden Webseiten zu finden: https://www.hohenzollernstrasse54.de/ – https://www.denkmalnetzbayern.de/erhaltenswerte-denkmaeler-bauten-gaerten/aufgepasst/mietshaus-in-schwabing – https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkm%C3%A4ler_in_Schwabing-West)

Für diese absurde Konstruktion, die diesen einheitlichen, zugleich schlichten und harmonisch-schönen Stil verschandelt, spricht einzig und allein der Plan des Bauherrn, auf jeden Fall Außenaufzüge zu wollen, obwohl die technisch bedingten Proportionen dieser Aufzugkonstruktion samt Gängen und Gittern, ent-standen durch die Differenz in der Höhe von Geschoss und Zwischengeschoss, nicht zu den Proportionen der denkmalgeschützten Fassade des Architekten Eugen Dreisch passen und diese durchdacht konstruierte Fassade mit ihren aufeinander abgestimmten Fenstern, Loggien, den Fenstern des Treppenhauses nahezu unkenntlich machen. Der Ort, wo lt. Architektenbüro ein Aufzug machbar wäre, eignet sich dafür nicht.
Soweit der Plan des Immobilieninvestors Baycon

Wie der beauftragte Architekt im Unterausschuss Bauen und Wohnen des BA Schwabing-West im November 2022 berichtete, wurde auf Veranlassung des Amts für Wohnen und Migration die Vorstellung eines Penthouses revidiert; auch bezüglich des geänderten Vorschlags von 3 Maisonette-Wohnungen bestehen noch Zweifel, ob diese wirklich unter die Kategorie des bezahlbaren Wohnraums fallen. Bleibt abzuwarten, welche Änderungen des Dachgeschossausbaus daraufhin erfolgen – die finanziellen Erfordernisse der Firma Baycon sprechen eher für höhere Mieten und luxuriöser ausgestattete Wohnungen.

Für den Denkmalschutz zuständig sind das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege und als Teil der Lokalbaukommission die Untere Denkmalschutzbehörde. Man darf gespannt sein, was letztendlich entschieden wird: ob tatsächlich die denkmalgeschützte Fassade des Innenhofs durch die geplanten Außenaufzüge und Balkone verschandelt wird.

Nachtrag:

Und auch das ist spannend: Sollte sich tatsächlich die Einsicht einstellen, dass diese Planung ein Unding ist, steht dem Schutz dieses Denkmals noch etwas entgegen.

Die bisherigen ebenerdigen Fahrradständer sollen durch ein Doppelparksystem ersetzt werden. Das künftige System soll Platz für 56 Fahrräder bieten; bisher bieten die Fahrradständer Platz für 30 Fahrräder. Geplant ist ein Doppelparksystem, analog dem doppelseitigen Parksystem mit zwei Etagen am Marienhof / Dienerstraße.

Wir haben es uns angesehen:

Die abgebildeten zwei Abteilungen dieses Systems bieten dort zusammen Platz für 62 Fahrräder. Ausmaße: knapp 3 Meter hoch, 8 Meter lang, 3 Meter tief. Wie im Netz beschrieben, handelt es sich hierbei um Anlagen “für den öffentlichen und halböffentlichen Raum mit begrenzt verfügbaren Flächen wie Bahnhöfe und Fahrradparkhäuser geeignet“.
Das geplante System für die Hohenzollernstraße 54 dürfte also ähnliche Ausmaße haben.

Man fragt sich, ob den Gartenbauarchitekt*innen klar war, dass der Blick auf die untere Hälfte des Seitengebäudes verstellt wird und der Charme dieses Hauses nicht mehr zur Geltung kommt, ob sie darüber informiert waren, dass es keineswegs belanglos – oder eben doch – ist, dass es sich hier um ein denkmalgeschütztes Gebäude handelt. Die Begründung eines Doppelparksystems bei der Präsentation im Unterausschuss für Bauen und Wohnen (Originalton): Die Fahrräder seien jetzt nicht „ordentlich“ aufgestellt …
Man könnte diese Planung durchaus für eine „Gartenbau-Sünde“ halten, kongenial zu den geplanten Außenaufzügen und Balkonen.

Aktueller Nachtrag:

Am 24.5.2023 wurde im Bezirksausschuss Schwabing-West über eine Tektur zum Bauantrag Hohenzollernstraße 54 – u.a. Wegfall der geplanten Außenaufzüge, Anbau von lediglich 4 Balkonen (=Wiederanbau) – beraten.

Wir freuen uns, dass die Hohenzollernstraße 54, die in Denkmalliste als Einzelbaudenkmal vermerkt ist (D-1-62-000-2772 siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmäler_in_Schwabing-West), in dem, was ihre Besonderheit und ihren Charme ausmacht – der Baustil des Architekten Eugen Dreisch  –, als schützenswert anerkannt und in der Praxis gefördert wird – einerseits. Andererseits fragt sich, warum dann der Anblick dieses Hauses hinter einem solchen Riesenkasten von Doppelparksystem versteckt werden soll.

Im Bezirksausschuss wurde u.a. folgendes (sinngemäß zitiert) einstimmig beschlossen: es sollte geprüft werden, ob ein Fahrradparksystem von einer solchen Größe und Höhe, das die Sicht versperrt, mit dem Denkmalschutz vereinbar ist.

Mietergemeinschaft Hohenzollernstraße 54

3 Kommentare

  1. Bei dem Kredit von M-Kapital handelt es sich vermutlich um ein crowdinvesting Modell. D.h. Anleger geben einem Unternehmen ein sogenanntes Nachrangdarlehen. M-Kapital erläutert in seinen Risikohinweisen, dass die Anleger im Fall von Liquidation oder Insolvenz nachrangig behandelt werden und ggfs. mit Totalverlust rechnen müssen. Der Zins, der in Aussicht gestellt wurde, ist zum damaligen Zeitpunkt ausgesprochen hoch.

    Für den Darlehensnehmer lohnen sich solche Projekte sicherlich nur, wenn man ein solches Projekt dann entsprechend verwerten kann. Denn irgendwann muss man ja die Anleger ausbezahlen (und selber auch noch profitieren).

  2. Solche Plaene verstoßen nicht nur
    Gegen Denkmalschutz, sondern auch gegen guten Geschmack und die Bedürfnisse der Mieter. Aber es scheint leider so, dass sich Architekten immer wieder dazu hergeben, mit derlei unpassenden Konstruktionen fuer ihre Bauherren das eigentlich Unmögliche moeglich zu machen…

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