Online-Stellungnahme zu B-Plan PaketPost-Areal

Nach Sichtung der veröffentlichten Unterlagen ist festzustellen, dass die grundsätzlichen Kritikpunkte und Defizite am Masterplan-Konzept – die von verschiedensten Seiten im bisherigen Planungs- und Beteiligungsprozess mehrfach eingebracht wurden – auch im vorliegenden Bebauungsplan mit Grünordnung Nr. 2147 nicht behoben bzw. ausgeräumt wurden.

Die angestrebten Ziele können wir meist unterstreichen, die entsprechenden Konzeptbausteine und Maßnahmen sowie die Lösungsansätze und Vorschläge zur Kompensation der negativen Folgewirkungen, Mängel und Probleme halten wir jedoch zur Zielerreichung für untauglich.
Die folgende Stellungnahme bezieht sich auf ausgewählte, aus unserer Sicht wesentliche Aspekte/Themen, insbesondere zu Ausführungen in der Sitzungsvorlage Nr. 20-26 / V 15429 „Begründung des Bebauungsplanentwurfs mit Grünordnung“ unter 4. Planungskonzept, 7. Umweltbericht und Anlage 4:„Stellungnahme der Verwaltung“ zu „Äußerungen im Verfahren“ (§ 3 Abs.1 BauGB):

  • Städtebau / Bauliche Dichte
  • Grün- und Freiräume
  • Hochhäuser / Hochhaustürm
  • Verfahren

zu „Städtebau / Bauliche Dichte“
Der Münchner Stadtrat hat auf die Herausforderungen aus den aktuell drängenden Problemen:
Klimawandel, anhaltender Wachstumsdruck, hohe Mieten, steigende Bodenpreise und Mangel an bezahlbaren Wohnungen, reagiert.

Es wurden wichtige und richtige Ziele und Strategien für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung in München formuliert. So etwa im Faltblatt „Die nachhaltige Stadt“ (PlanTreff, Februar 2021): „…Die Landeshauptstadt München möchte bis 2035 nicht nur klimaneutral sein, sondern muss sich auch auf noch weiter steigende Temperaturen, längere Trockenphasen und mehr Starkregenfälle einstellen (…) München stärkt seine Freiräume, teilt den öffentlichen Raum neu auf und setzt auf die Teilhabe aller. Die Stadt fördert eine nachhaltige Mobilität und entwickelt ihre Quartiere klimaneutral. Sie schafft bezahlbaren Wohnraum, sichert Standorte für Unternehmen
und sorgt dafür, dass wir einen guten Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung haben – für eine nachhaltige Stadt von morgen…“.

Dies alles begrüßen wir! Was jedoch das Projekt rund um die Paketposthalle (oder auch die 2023 verabschiedete Hochhausstudie) betrifft, zeigen sich eklatante Widersprüche zu obigen Zielen der Stadtentwicklung. Wir sind der Meinung, dass hier Korrekturen notwendig sind!
Im bisherigen Planungsprozess wurde bereits vielfach Kritik und Warnungen vor möglichen negativen Folgen geäußert, wie z.B. stadtklimatische und stadtgestalterische Beeinträchtigungen, Konflikte mit den Zielen zur Klimaneutralität, Resilienz und nachhaltigen Bauweise und vor allem mögliche Boden-/Mietpreissteigerungen sowie der Bruch mit der baukulturellen Identität: „München ist keine Hochhausstadt“.

Bauliche Dichte allein macht noch kein funktionierendes Stadtquartier, beim Paketpost-Areal wurde
sie ins Extrem gesteigert: die Geschossflächenzahl (GFZ), die die geplante Geschossfläche im Verhältnis
zur Grundstücksfläche angibt, erreicht hier schwindelerregende 5,5!

Die gemäß Baunutzungsverordnung §17 zulässige GFZ von 3,0 im Urbanen Gebiet (MU) wird erheblich überschritten und entsprechend auch die Geschossfläche um ca. 100.000 qm! Damit wurden Investor Ralf Büschl zigtausend Quadratmeter Geschossfläche „geschenkt“, die ein lukratives handelbares Gut darstellen. Im Gegenzug soll er die denkmalgeschützte Paketposthalle sanieren, zugänglich machen und betreiben. An dieser überhöhten Dichte hat sich im Verlauf des Planungsprozesses nichts geändert!

Zwar wurde als Reaktion auf die Kritik an der viel zu geringen Ausstattung mit öffentlich nutzbaren Grün- und Freiflächen, u.a. auch aus dem Bürger*innengutachten (2022) ein „Quartierspark“ direkt vor der Paketposthalle eingeplant. Um die, dem Investor zugesicherten ca. 242.000 qm Geschossfläche zu halten, wurde zur Kompensation die dadurch wegfallende Blockrandbebauung durch zwei weitere Hochhäuser mit einer Höhe von 53 und 65 Metern ersetzt.
Auf dem PaketPost-Areal sollen insgesamt ca. 1.190 Wohnungen und ca. 3.000 Arbeitsplätze (Nutzungen: Wohnen, Pflege-Wohnen, Kindertageseinrichtungen, Büro, Hotel, Dienstleistungen, Einzelhandel, Gastronomie, etc.) entstehen. Schätzungsweise werden sich täglich ca. 8.000 bis 9.000 Menschen auf dem Paketpost-Areal bewegen.
Wir haben es hier also mit außergewöhnlich hohen Baudichten zu tun, die es in München – ausgenommen bei jüngeren Neubauprojekten, wie z.B. dem benachbarten Quartier mit den Hochhäusern an der Friedenheimer Brücke – sonst nirgendwo gibt.

Daraus wird mit negativen Folgewirkungen zu rechnen sein, wie etwa: mangelnde Qualitätsstandards im Freiraum, ein fast vollständig versiegelter Boden über einer mehrstöckigen Tiefgarage, ungelöste Verkehrsabläufe bei dem zu erwartenden Autoverkehr im Quartier sowie mit zusätzlichen Belastungen in der Nachbarschaft, unzureichende Wohnqualität angesichts der Enge, Lärmbelastung und des mangelnden Lichteinfalls in den äußerst schmalen Wohnhöfen, geringe „Alltagstauglichkeit“ für die Bewohnerschaft in den engen Gassen zwischen der Paketposthalle und den beiden Hochhaustürmen.
Die Funktionsfähigkeit der Erschließung des Quartiers sowie die „autofreie“ Abwicklung des Verkehrs (ausgenommen Not- /und Sicherheitsfahrzeuge) an der Oberfläche, die Leistungsfähigkeit des vorhandenen Straßennetzes oder der Zugang zur S-Bahnstation lassen Fragen offen.
Aber eines ist absehbar: mit der zu hohen Baudichte, zu wenig Freiraum, kaum nutzbarem Grün sind Nachbarschaftskonflikte und „Dichtestress“ vorprogrammiert und zusammen mit der hohen Versiegelung (mehrstöckige Tiefgarage unter großen Teilen des Areals) sowie mangelnden Auffangkapazitäten für Regenwasser wird hier eine „Hitzeinsel“ entstehen und bei Starkregen ist mit Problemen beim Abfließen und Versickern des Wassers zu rechnen.

Die angestrebten Qualitäten in einem „lebenswerten, sozial- und nutzungsgemischten, resilienten, nachhaltigen Quartier“ werden mit dieser Planung nicht erreichbar sein. Darüber hinaus muss befürchtet werden, dass mit den zu erwartenden überwiegend hochpreisigen Nutzungsangeboten am Bedarf der Bevölkerung vorbei gebaut wird, Stichwort „bezahlbarer Wohnraum.
Und, die weit sichtbaren Türme könnten statt als Zeichen für „Moderne und Fortschritt“ auch als Symbol für Luxus und Ressourcenverschwendung in München interpretiert werden. Nach dem jüngsten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz ist ein solches Bauprojekt nicht mehr zeitgemäß, es ist nicht „Enkel tauglich“ und schadet dem Ansehen Münchens.

zu „Grün- und Freiräume“
Das Grünflächenangebot wurde u.a. mit einem „Quartierspark“ direkt vor der Paketposthalle auf ca. 10.000 qm erweitert, gebraucht werden aber ca. vier bis fünfmal mehr öffentlich zugängliche Freiflächen, wenn man die überdachte Halle nicht einbezieht. Zwar ist der neu eingeplante Quartierspark – vor allem auch, weil er nicht unterbaut werden soll – ein Fortschritt.
Angesichts einer geschätzten Tagesbevölkerung von ca. 8.000 bis 9.000 Menschen werden die Grünflächen jedoch bei Weitem nicht ausreichen. Die an diesem Standort angestrebten Freiflächenorientierungswerte sind nicht im entferntesten realisierbar. Als Kompensation angedachte, teils öffentlich nutzbare, Innenhöfe und Dachgärten stellen durch die erschwerte Zugänglichkeit keinen adäquaten Ersatz dar. Benachbarte Grünanlagen, wie der Hirschgarten, sind bereits heute ausgelastet.
Zudem ist unklar, wo und in welcher Größenordnung die Frei- und Spielflächen für die geplanten „Häuser für Kinder“ (mit Krippen-, Kindergarten- und Hortgruppen) lokalisiert sein sollen – bei dem insgesamt zu geringen Grünflächenangebot sind Nutzungskonflikte vorprogrammiert.
Als spektakuläre Besonderheit wird hervorgehoben, dass die sanierte Paketposthalle zum größten überdachten öffentlichen Platz Deutschlands gestaltet werde. Dazu lässt sich sagen: weder hohe Baudichten, noch groß dimensionierte Plätze versprechen automatisch Urbanität, Lebendigkeit, Vielfalt und Alltagstauglichkeit. Leider ist häufig sogar eher das Gegenteil der Fall, wie das (Negativ-) Beispiel Willy-Brandt-Platz in der Messestadt Riem zeigt, der nun nach fast 20 Jahren Kritik und Bürgerprotesten, unterstützt durch ein Bürgerbeteiligungsverfahren, nutzerfreundlich neu gestaltet werden soll.

zu „Hochhäuser / Hochhaustürme“
Beim Hochhausbau verliert der Bauherr für Aufzug- und Versorgungsschächte und zusätzliche Fluchtwege viel Nutzfläche, die vermeintliche Flächenersparnis relativiert sich, statisch und technisch wachsen die Anforderungen mit der Höhe, wie auch der Materialverbrauch und Energieeinsatz.
All das macht den Bau von Hochhäusern sehr teuer und unökologisch. Besonders ab einer Höhe von ca. 60 Metern ist eine ökologische und gemeinwohlorientierte Realisierung zum aktuellen Stand der Technik kaum noch möglich. Gleichzeitig lässt sich das Wohnen über der Stadt besonders lukrativ vermarkten. In „Wolkenkratzern“ entstehen in der Regel hochpreisige Wohnungen oder Büroflächen.
Die beiden je 155 m hohen Türme stellen einen Dammbruch dar, der – auch im Kontext der umstrittenen Hochhausstudie – ein Präzedenzfall werden könnte. Es droht durch das massive Baurecht eine Befeuerung der Bodenwertsteigerungen auch außerhalb des Quartiers, was die Schaffung bezahlbaren Wohnraums weiter erschweren könnte. Grundstücke, auf denen besonders hoch und somit viel Geschossfläche gebaut werden darf, steigen deutlich im Wert. Das zieht die Bodenpreise zusätzlich nach oben und, wenn wir in München eines nicht gebrauchen können, sind es noch mehr Preissteigerungen am Immobilienmarkt. Denn ohne bezahlbaren Grund entsteht auch kein bezahlbarer Wohnraum.
Um nicht missverstanden zu werden: niemand kritisiert ein paar Stockwerke mehr, aber Hochhäuser und erst recht Hochhaustürme werden weder einen Beitrag zur Lösung der Wohnraumproblematik noch städtebauliche Qualität bringen. Sie können das Stadtbild erheblich beeinträchtigen und sie sind aufgrund der hohen Bauanforderungen und Flächenverluste – wie inzwischen vielfach untersucht – ein ökologisches Fiasko.

Klassische Quartiere in Blockrandbauweise, wie in der Münchner Innenstadt und den sogenannten Innenstadtrandgebieten wie Neuhausen, Schwabing, Haidhausen etc. schaffen eine urbane Dichte und Lebensqualität ohne die negativen Begleiterscheinungen. Diese Strukturen gilt es, entsprechend der aktuellen Herausforderungen und im Sinne zukunftsfähiger, lebenswerter, resilienter, …Quartiere weiterzuentwickeln.

zu „Verfahren“
Wie im Umweltbericht unter 7.7 dargelegt, wurden „anderweitige Planungsmöglichkeiten“, sprich ernstzunehmende Planungsalternativen bereits zu Beginn des Planungsprozesses im Jahr 2019 mit der Entscheidung für ein Masterplan-Verfahren ausgeschlossen. Der Investor konnte sich mit dem Masterplan-Entwurf des von ihm beauftragten Architekturbüros Herzog & de Meuron Architekten mit Vogt Landschaftsarchitekten durchsetzen.
Alternative Varianten zum Planungskonzept – bei Einhaltung der frühzeitig festgelegten Eckdaten – wurden lediglich im Rahmen des Masterplan-Verfahrens in 2019 von den beauftragten Büros vorgelegt und im Begleitgremium unter Einbindung der Stadtpolitik sowie in der Stadtgestaltungskommission, also bewusst ohne öffentliche Beteiligung, diskutiert und verworfen. Von da ab wurde der Masterplan ohne Planungsalternative bis zur B-Plan-Reife weiterentwickelt.
Dieses Vorgehen deutet auf einen „Paradigmenwechsel“ in der Planungskultur der LH München hin.
So formuliert von Stadtplaner Richard Adam in einem Kommentar in der Sammlung „Hochhausdebatte 2021 – Alpenpanorama oder Hochhaus-Skyline“ (Münchner Forum): „…Mussten in der Vergangenheit für bedeutende Planungsgebiete alternative Planungen z.B. über Wettbewerbe, Plangutachten, u.s.w. mit der Möglichkeit, die interessierte Öffentlichkeit zu beteiligen erarbeitet werden, so läuft es jetzt nach dem Schema „potenter Investor, prominenter Architekt, spektakuläres Projekt“.
Die Beteiligung der Öffentlichkeit wird reduziert auf werbewirksame Informationsveranstaltungen, die von den Investoren mit Hilfe professioneller Marketingagenturen durchgeführt werden. Eine effektive Beteiligung der Öffentlichkeit beschränkt sich auf die gesetzlich vorgeschriebene Auslegung der B-Plan-Entwürfe, nachdem alle relevanten Planungsentscheidungen bereits getroffen wurden.
An dieser Situation wird auch ein Bürgergutachten nichts ändern, falls die Planungsvorgaben nicht grundlegend zur Disposition gestellt werden können…“

Fazit
Auch in dem vorliegenden Bebauungsplan mit Grünordnung Nr. 2147 „ PaketPost-Areal“ bleiben die genannten Defizite bestehen, sie konnten im Laufe des Planungsprozesses und im Bebauungsplan- Verfahren nicht „geheilt“ werden:
– keine ausreichenden Grün- und Freiflächen …
– Hochhäuser / Hochhaustürme dieser Dimension sind nicht nachhaltig und klimaneutral zu bauen …
– Verkehrskonzentration mit negativen Auswirkungen auf Kosten der Nachbarschaft …
– zu hohe Baudichte mit negativen sozialen und ökologischen Folgewirkungen …
– längerfristiges Angebot von „bezahlbarem“ Wohnraum und soziale Mischung im Quartier ist fraglich …
Hier wurde die Chance für ein innovatives, zukunftsfähiges, soziokulturell ausgewogenes und architektonisch raffiniertes Quartier als Pilotprojekt für München verpasst!

Unsere Forderung an eine Gemeinwohl orientierte Stadtentwicklung…
>> Die Bodenpreisspirale darf durch eine deregulierte Hochhauspolitik nicht noch weiter angeheizt werden.
>> Das Stadtbild Münchens ist ein wertvolles Gut, mit dem behutsam umgegangen werden muss.
>> Zu hohe städtebauliche Dichten mit zu geringen nutzbaren Grün- und Freiräumen sind zu vermeiden.
>> Hochhäuser in München sollten die ca. 60-Meter-Marke nicht überschreiten und nur dann entstehen, wenn sie
die gesellschaftlichen Mehrwerte bezahlbaren Wohnens und städtebaulicher Qualitäten nachweislich bringen.
>> Die Klimakrise darf durch eine enthemmte Bautätigkeit für Hochhäuser nicht weiter befeuert werden.
>> München wird nicht durch Hochhaustürme zur Weltstadt, sondern durch eine am Gemeinwohl orientierte,
zukunftsgerichtete, soziale, ökologische und inklusive Stadtentwicklung.
>> Angesichts des anhaltenden enormen Wachstumsdrucks, der fortschreitenden Immobilienspekulation, der
Klimakrise und Ressourcenknappheit halten wir es für dringend geboten, bei allen Abwägungen im Rahmen
städtebaulicher Projekte den Fokus auf die „Stadtgesellschaft im Gleichgewicht“, auf Gemeinwohl und
Alltagstauglichkeit sowie auf soziale, ökologische, ökonomische und kulturelle Nachhaltigkeit zu richten.

… bedeutet konkret für das „PaketPost-Areal“
Damit die Ziele für ein lebenswertes Quartier umgesetzt werden können, fordern wir eine deutliche Reduzierung der Geschossflächen (um ca. 100.000 qm) im Bebauungsplan mit Grünordnung Nr. 2147 „PaketPost-Areal“, um die maximal zulässige Geschossflächenzahl (GFZ) von 3,0 im Urbanen Gebiet (MU) gemäß Baunutzungsverordnung §17 einzuhalten.
Es sollte keine Hochhäuser über ca. 60 m geben und die beiden Hochhaustürme mit je über 150 m dürfen nicht gebaut werden. Darüber hinaus sind erheblich mehr Grün- und Freiflächen auf dem Areal zu realisieren (mindesten vier- bis fünfmal mehr als geplant).

Dierk Brand & Gabriele Heller

Foto: Paketposthalle mit Visualisierung der Hochhaustürme (nicht Massstabsgetreu) © Robert Hölzl

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