Offener Brief des Bündnis Nordost e.V. an den Münchner Stadtrat

Sehr geehrte Damen und Herren des Münchner Stadtrats,

wir möchten hier nochmals unseren Standpunkt und unseres Erachtens wichtige Punkte zum Thema „SEM im Nordosten“ und der „SEM im Norden“ ansprechen:
In Bezug auf dieses Vorhaben wird den Bürgern versprochen, dass hier vorrangig günstiger Wohnraum entstehen soll. Erreicht werden soll dies, indem den Bauträgern nur langfristige soziale Bindungen angeboten werden. Die Frage ist aber, ob und „wie“ ein Bauträger bzw. eine Kapitalgesell-schaft sich darauf einlässt. Denn für diese Unternehmen stellen derartige Projekte eine Investition bzw. Anlage dar, die der Gewinnerzielung dient. Letztendlich werden die Wohnungen so aufgeteilt und bepreist, dass es sich auch rechnet. Da hier von den Investoren auch immer Projektgesellschaften für die Bauphase gegründet werden, ist es zwangsläufig, dass nach deren Auflösung auch die Vereinbarungen mit der Stadt nicht immer an den nächsten Kapitalanleger „weiterverkauft“ werden.
In der Folge bleibt der Stadt München nur die Option, selbst zu bauen. Fakt ist, dass nicht erst seit Corona, sondern bereits vorher, die Stadt München finanziell nicht in der Lage ist, dieses „Quartier“ aus eigener Kraft zu verwirklichen oder auch nur infrastrukturell zu erschließen.

Oder hat man vor, ausländische Investoren zu bedienen und unsere Stadt aus den Händen zu geben? Den Eigentümern würde man die Grundstücke zu Billigstpreisen wegnehmen oder gar enteignen, nur um solchen Investoren einen hohen Profit zu ermöglichen.
Die Politiker und Referenten der Stadt München betonen zudem stets, dass man aus Fehlern, die in der Vergangenheit beim Entwickeln größerer Projekte gemacht wurden, gelernt hätte. Diverse aktu-elle Beispiele wie die Prinz-Eugen-Kaserne, Messestadt u.v.m., zeigen aber, dass dem nicht so ist und die gleichen Fehler immer wiederholt werden: keine ausreichenden Kita-Plätze, zu wenig Einkaufsmöglichkeiten, fehlende Parkplätze, hoffnungslos überfüllter ÖPNV, Verkehrstaus usw. Durch die geplante Ansiedlung in einer Größenordnung von mehreren zehntausend Menschen werden diese, sowie auch soziale Probleme noch größer werden.
Zudem spricht das Planungsreferat von nur einem Projekt. In Wirklichkeit müssen die umliegenden Gebiete, die ebenfalls bebaut und erweitert werden, in die Gesamtplanung mit einbezogen werden:
• der Ausbau der Bahnstrecke: der Tunnel rückt in immer weitere Ferne, seit über 40 Jahre bekommt man nicht mal einen vernünftigen S-Bahnhof in Daglfing oder Johanneskirchen hin
• die Reitakademie: der Pachtvertrag läuft aus und wird nicht verlängert, aber hier wird ja vom Freistaat gebaut, deshalb wird es nie mit angesprochen (die Rede ist von 5000 Bewohnern)
• die Galopprennbahn: Auf der Fläche der Trainierbahn sollen ebenfalls Wohnungen für mehrere tausend Menschen entstehen
• die geplanten Bauvorhaben in den angrenzenden Stadtteilen mit über 100.000 neuen Bewohnern (z.B. Berg am Laim usw.).
So werden die Bürger auch unzureichend informiert über die geplante Verbindungsstraße vom Moosfeld nach Unterföhring zur M3. Die dann durch das ganze SEM-Gebiet führt und auch den Hüllgraben queren wird. Hier wird den Anwohnern nur so viel mitgeteilt, wie man für notwendig hält. Dies erweckt den Eindruck, dass die Stadt den Bürgern kommende Unannehmlichkeiten verbergen möchte, um Konflikten aus dem Weg zu gehen.
Die Darstellungen der so gelobten Wettbewerbspläne (besonders Gebäude), werden perspektivisch konsequent so verändert, dass das Gesamtbild sich auf den Modellen und Schaubilder scheinbar harmonisch in den Bestand einfügt. Beispielsweise ist die Perspektive, aus der der Daglfinger Kirchturm von der geplanten Trambahnhaltestelle aus gesehen so hoch wirkt, wie die geplante 8-stöckige Bebauung, eine gewollte massive Irreführung. Auch dies zeigt, dass den Bürgern die Nachteile der Planung bewusst vorenthalten werden. In Wahrheit werden es die gleichen seelenlosen „Wohnblöcke“ sein, die Alles überragen und dicht zusammenstehen.
Die Folgen für die Natur sind unseres Erachtens aber die schlimmsten:
Der angepriesene Badesee zur Erholung der Bürger, dient eigentlich nur zur Grundwasserabsenkung. Diese wird auch das neu ausgewiesene Landschaftsschutzgebiet „Moosgrund“ hinter dem Bahndamm betreffen und es weitgehend austrocknen. Diese Konsequenz wird den Bürgern vorenthalten. Auch wird die seit Jahrzehnten entstandene Flora und Fauna, die in einer selten gewordenen Kulturlandschaft liegt, in der sich kleine Flächen abwechseln, unwiederbringlich zerstört.

Der Baustaub und Baulärm werden über die Bauzeit hinweg ihr Übriges tun. Denn Wildbienen und Insekten haben keinen „Imker“, der gegebenenfalls den Standort wechselt. Ganz zu schweigen von den geschützten Tieren wie Kiebitz, Eisvögel und vielen mehr. Diese werden aus einem ihrer wenigen Lebensräume vertrieben.
Auch die regionale Landwirtschaft wird massiv geschädigt. Dass man mit den Flächen, wenn man die in Feldmoching dazuzählt, ca. 1500 ha, nicht die Welt ernähren kann, ist schon klar. Aber dennoch ist es bestes Ackerland, welches in der Regel nicht bewässert werden muss und für die regionale Versorgung, die ja eigentlich wichtig und richtig wäre, unwiederbringlich zerstört wird.
Ganz abgesehen davon, hat sich die Stadt München in dem Vertrag für das Landschaftsschutzgebiet „Moosgrund“ vorbehalten von den ca. 300 ha Landschaftsschutzgebiet über 200 ha als Kiesabbaufläche abzutragen. Dies haben wir bereits in unserem letzten Offenen Brief, zum Thema Landschaftsschutzgebiet „Moosgrund“ erwähnt und halten dies für höchst bedenklich. Bestes Negativbeispiel ist die derzeitige Diskussion zum Thema Kiesabbau im Forst Kasten oder aber auch die Bebauung im Landschaftsschutzgebiet in Trudering „Fauststraße“.
Was wird hier wohl übrig bleiben von der Natur?
Über den wichtigen CO²-Speicher, den die landwirtschaftlichen Flächen und ganz besonders das Niedermoorgebiet im „Moosgrund“ erbringen, wird überhaupt nicht gesprochen.
Der Bahntunnel wird wohl nicht kommen, stattdessen eine 6 Meter hohe Schallschutzwand mit zwei Brücken (Johanneskirchen und Englschalking), die die Verbindung zur oben genannten Straße zwischen dem Moosfeld und der M3 sein werden. Für die Anwohner und die Natur ist das ein Desaster. Sogar lt. Gutachten der DB zum Gleisausbau wird es hier keinen Luftaustausch mehr geben.
Aber auch die Stadtbewohner und deren Gesundheit werden geschädigt, da die Frisch- und Kaltluftzufuhr über das Hachinger Tal (die man ja eigentlich erhalten will!) blockiert wird. Durch die neue Bebauung wird der bisherige Luftstrom unterbrochen und die warme Luft, die vom Süden durch die kalte Luft hierher gedrückt wird, kann nicht mehr, so wie bisher, im „kühleren“ Nordosten nach oben steigen und die Zirkulation in Gang halten. Es wird in der gesamten Stadt deutlich wärmer werden!
Einerseits wird gesagt, wir kämpfen für die Natur, „Rettet die Bienen“, der Klimanotstand wird ausgerufen, es wird sich für „Fridays for Future“ eingesetzt, aber letztendlich wird im Sinne der Partei (oder deren Geldgebern? oder stillen Beratern?) am Ende doch gegen die Natur gestimmt.
Dass es Veränderungen geben wird und es auch neuen Wohnraum geben muss, ist allen klar. Aber wie diese Veränderungen ausfallen und ob wir der gewachsenen Natur und Struktur für unsere nächsten Generationen eine Chance geben, darauf kommt es an.

Über eine Reaktion auf dieses Schreiben würden wir uns freuen. Und wir hoffen, dass zumindest der/die eine oder andere Verantwortliche sich bevor er/sie über solche Beschlüsse mit weitreichenden Auswirkungen abstimmt, sich von allen Seiten informiert und nicht allein den Angaben aus der Stadtverwaltung Glauben schenkt und nur, um seiner Partei zu folgen, zustimmt.
Gerne stehen wir jedem, der möchte, für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Bündnis NordOst e.V.

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