Abbruch der Türkenstraße 52 im März 2019

München: Nachgefragt – Türkenstraße 52/54: Wohnraum vernichtet für Spekulation

Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 28.10.2020 (Rathausnachrichten vom 08. Februar 2021)

Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:

Mit Schreiben vom 28.10.2020 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung federführend wie folgt beantwortet wird.

In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Mitten in der Türkenstraße klafft weiter ein riesiges Loch – genau dort, wo früher bezahlbarer Wohnraum für breite Teile der Gesellschaft stand, der seit 2012 entmietet und 2019 abgerissen wurde.
Die Türkenstraße 52/54 ist beispielhaft für eine schonungslose Gentrifizierung im Sinne der Profitmaximierung, die sich in ganz München zeigt. Einem solchen Treiben darf nicht weiter zugesehen werden. München darf nicht zur Stadt der Reichen verkommen. Die Stadt muss hier entschlossen handeln. Auch wenn die Antwort auf unsere Anfrage Nr. 14-20/F 01737 zur Türkenstraße 52/54 zur Klärung von Fragen beigetragen hat, bleiben weitere Fragen offen.“

Frage 1:
Wie viel Wohnraum entsteht als „Ersatzwohnraum“ durch den Neubau in der Türkenstraße 52/54 und wie viel Wohnraum wurde durch den Abriss des Bestandes vernichtet? (Bitte jeweils Gesamtwohnfläche in m² und Anzahl der Wohnungen) Handelt es sich hierbei um Miet- oder Eigentumswohnungen?

Antwort des Sozialreferates:
Durch Abriss gingen im Bestand 53 Wohnungen mit insgesamt 3.245m² verloren. Es handelte sich, soweit bekannt, um Mietwohnungen. Nach der dem Sozialreferat bisher vorliegenden letzten Planung, die der zweckentfremdungsrechtlichen Abbruchgenehmigung von 2012 zugrunde lag, sollten ursprünglich 24 Wohnungen mit insgesamt 3.510m² neu entstehen.

Nach letzter baurechtlich genehmigter Planung der neuen Eigentümerin sollen 65 Wohnungen mit insgesamt 5.747m² neu entstehen. Die neuen Planunterlagen wurden mittlerweile von der Verfügungsberechtigten angefordert, liegen uns aber noch nicht vor. Ob Miet- oder Eigentumswohnungen entstehen sollen, ist dem Sozialreferat nicht bekannt, in diesem Fall war dies aber auch nicht Auflage in der Zweckentfremdungsgenehmigung.

Frage 2:
Welche Unterschiede zum Fall in der Türkenstraße 52/54 hätte es gegeben, wenn die aktuelle Zweckentfremdungssatzung (ZeS) schon vor zehn Jahren angewandt worden wäre? Hätte dadurch der Abriss bezahlbaren Wohnraums und der Bau von teuren Eigentumswohnungen verhindert werden können?

Antwort des Sozialreferates:
Der Abriss hätte auch bei Anwendung der aktuellen Zweckentfremdungssatzung (ZeS) nicht verhindert werden können, da ausreichend Ersatzwohnraum neu geschaffen werden soll.
Es wären jedoch zusätzliche Auflagen im Genehmigungsbescheid hinsichtlich der Neuschaffung von Mietwohnungen und des zulässigen Mietpreises möglich gewesen, wobei dann gesondert hätte geprüft werden müssen, ob die Voraussetzungen für die einzelnen Wohnungen damals auch vorlagen.

Frage 3:
„Für das Anwesen in der Türkenstraße 52 und 54 wurden mehrere Genehmigungsverfahren durchgeführt“ Wann wurden die einzelnen Bauanträge jeweils beantragt und genehmigt bzw. abgelehnt? Welche Änderungen gab es dabei jeweils? Aus welchen Gründen wird das Bauvorhaben als „äußerst komplex“ bezeichnet?

Antwort:
1. Bauantrag für Abbruch und Neuerrichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit 30 WE und Tiefgarage vom 13.10.2011, genehmigt am
12.6.2012.
2. Bauantrag für Neubau VGB + RGB Türkenstraße 52 und RGB Türkenstraße 54 mit 72 WE, Gastronomie und Tiefgarage, vom 11.4.2017, genehmigt am 29.9.2017.
3. Bauantrag für den Neubau einer Wohnanlage (64 WE) VGB + RGB Türkenstraße 52/RGB Türkenstraße 54, erdgeschossige Ladennutzung und zweigeschossige Tiefgarage, vom 14.12.2018, genehmigt am 24.7.2019. 4. Das Bauvorhaben wird als komplex bezeichnet, da bei dieser Maßnahme das Vorderhaus Türkenstraße 54 als Einzelbaudenkmal in der Denkmalliste eingetragen ist und bei der Baumaßnahme auch weitgehend erhalten und saniert wird, während die restlichen Gebäude auf dem Grundstück keine Denkmaleigenschaft vorweisen und entfernt werden dürfen. Ferner musste im Rahmen des Bauantrages das Sozialreferat wegen der Thematik Abbruch und Wohnungen eingeschaltet werden und auch die Tatsache, dass das Grundstück mit einem Vordergebäude sowie Rückgebäude und Tiefgarage in der Dichte der bisherigen Umgebung bebaut wird, erhöht die Komplexität.

Frage 4:
„Im Rahmen neuerer Bebauungspläne wird das geschaffene Baurecht mittels Bauverpflichtungen sichergestellt, wonach die Bauherrinnen und Bau- herrn verpflichtet sind, das Grundstück innerhalb einer zuvor bestimmten Frist antragsgemäß zu bebauen“.
Wie lange sind diese Fristen in der Regel und welche Konsequenzen hat eine Überschreitung dieser Fristen? Gibt es für das 2019 genehmigte Bauvorhaben in der Türkenstraße 52/54 eine solche Frist? Wenn ja wie lange ist diese?

Antwort:
Voraussetzung für die Vereinbarung einer Bauverpflichtung ist das Bestehen eines Bebauungsplans, da Bauverpflichtungen grundsätzlich in den städtebaulichen Verträgen vereinbart werden, die ein Planungsverfahren begleiten. Diese Verträge beinhalten regelmäßig Fristen für Bauverpflichtungen. Je nach Größe des Planungsgebiets betragen die Fristen 5 bis 10 Jahre, manchmal auch länger. In den wenigen Fällen, in denen die Frist nicht eingehalten werden konnte, treten die Vertragsparteien zur Klärung zusammen und suchen nach einer Lösung. Es gibt für die Anwesen Türkenstraße 52 und 54 aber weder ein übergeleitetes Bauliniengefüge gem. § 30 Abs. 3 BauGB noch einen qualifizierten Bebauungsplan gem. § 30 Abs. 1 BauGB, die genannten Flächen beurteilen sich daher ausschließlich nach § 34 Abs. 1 BauGB. Im Fall der Anwesen Türkenstraße 52 und 54 gab es deshalb keinen rechtlichen Ansatz für die Vereinbarung einer Bauverpflichtung.

Frage 5:
„Die Erfahrung hat aber gezeigt; dass Investoren und Entwickler wiederholt umdisponieren, um ihre Planungen zu optimieren und dies der Hauptgrund für Verzögerungen ist“. Während der Gesellschaft dringend benötigter Wohnraum vorenthalten wird, führen solche Verzögerungen zu hohen, leistungslosen Gewinnen für die Investoren. Welche Kriterien nutzt die Stadt, um festzustellen, ob Umplanungen über Jahre hinweg nur „vorgeschoben“ werden? Wie war die Einschätzung der Stadt zu den permanenten Umplanungen des ehemaligen Eigentümers (bis 2018)?

Antwort:
Die Disposition über die Beplanung und Realisierung des Vorhabens liegt grundsätzlich beim Eigentümer. Das zuletzt genehmigte Vorhaben reagiert mit Änderungen auf Schwierigkeiten, die sich bei der Verfolgung des Vorgängervorhabens gestellt hatten und war daher für die Lokalbaukommission auf baurechtlicher Ebene nachvollziehbar.

Frage 6:
Ist es üblich, dass sich solche Prozesse über zehn Jahre hinziehen (2012: Abrissgenehmigung; 2023: Fertigstellung Neubau)? Ist eine solche Verzögerung vereinbar mit dem § 4 Abschnitt (2).2 der Zweckentfremdungssatzung wonach „Wohnraum nachweislich zügig umgebaut, instandgesetzt oder modernisiert“ werden muss, um als nicht zweckentfremdet eingestuft zu werden?

Antwort des Sozialreferates:
Eine solch lange Zeitdauer ist zwar nicht der Regelfall, aber auch nicht völlig unüblich.
Gerade bei größeren Vorhaben gibt es Verzögerungen und Umplanungen bei der Neubauplanung, so dass das in der Zweckentfremdungssatzung geforderte Kriterium „zügig“ bei einzelnen Fällen immer individuell betrachtet und bewertet werden muss.

Beim Anwesen Türkenstraße 52 handelt es sich zudem um einen Abbruch und nicht um eine Instandsetzung oder Modernisierung, sodass hierbei andere Zeitläufe gegeben sind.
Zudem wurden im Haus Türkenstraße 54 Wohnungen für die Umsetzung von Mieter*innen des inzwischen abgebrochenen Anwesens Türkenstraße 52 freigehalten. Der zwischenzeitliche Verkauf im Jahr 2017 führte in diesem Fall zu einer weiteren Verzögerung. Der Abriss erfolgte erst Anfang 2019.

Frage 7:
Welche Mittel nutzt die Stadt um ein ständiges „Optimieren“ der Planungen einzuschränken, um sicherzustellen, dass Wohnraum wirklich zügig wieder zur Nutzung bereitgestellt wird? Wie bewertet die Stadt den Zusammenhang, dass durch die „Optimierung“ der Planungen vor allem auch die Profite der Eigentümer durch stetig steigende Bodenpreise optimiert werden?
 

Antwort:
Es gibt bei Grundstücken, welche nach § 34 BauGB beurteilt werden, keine Möglichkeit den Bauherrn zu verpflichten z.B. sofort nach Erteilung der Baugenehmigung das Gebäude zu bauen. Eine Baugenehmigung ist gemäß Art. 69 Abs. 1 BayBO vier Jahre lang gültig und kann bzw. muss auf Antrag mehrfach verlängert werden. Die Entwicklung der Bodenpreise kann bei der baurechtlichen Beurteilung eines Vorhabens nach geltender Rechtslage nicht ins Feld geführt werden.

Frage 8:
Wie betrachtet die Stadt unter diesen Gesichtspunkten die Aussage des Geschäftsführers der Real Treuhand Immobilien Norbert Obermayr in ,Hallo München‘ vom 23. Oktober 2019: „Ich schließe einen Verkauf allerdings nicht aus, wenn ein anderer Investor kommen sollte.“?

Antwort:
Es wird angenommen, dass mit dem in der Fragestellung verwendeten Begriff „unter diesen Gesichtspunkten“ der vermutete Zusammenhang zwischen Projektumplanungen und der Bodenpreisentwicklung gemeint ist. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung kann insoweit lediglich die baurechtlichen Aspekte des Vorhabens, vorliegend gem. § 34 Abs. 1 BauGB, prüfen. Dessen ungeachtet steht ein (etwaiger) Verkauf zur rein privaten Disposition des Eigentümers (siehe Frage 5).

Frage 9:
Die Antwort auf unsere Anfrage ergibt, dass die vier renovierten Wohnungen im bestehenden Haus in der Türkenstraße 54 in den nächsten Jahren bis zur Fertigstellung 2023 weiterhin leer stehen dürfen, damit nicht „die potentiellen Mieter den Lärmbelästigungen“ ausgesetzt werden – drei weitere Jahre Leerstand. Abgesehen davon, dass die Wohnungen teilweise schon seit fünf Jahren leer stehen und die anderen Mietparteien sowie die komplette Nachbarschaft auch mit der Lärmbelästigung durch die Baustelle leben müssen: Auf welchen Paragraphen in der Zweckent- fremdungssatzung stützt sich die Ausnahme für Zweckentfremdung durch Lärmbelästigung? Ist durch einen Baubeginn im Jahre 2020 auch der seit 2015 bestehende Leerstand in der Türkenstraße 54 gerechtfertigt und gilt diese Regelung auch für die umliegenden Häuser, die von der Lärmbelästigung durch die Arbeiten an der Türkenstraße 52/54 betroffen sind?

Antwort des Sozialreferates:
In der Zweckentfremdungssatzung gibt es keinen Rechtfertigungsgrund „Lärm“ für einen Leerstand. Berechtigt ist ein Leerstand dann, wenn ein Anwesen umgebaut, instand gesetzt oder modernisiert bzw. verkauft werden soll (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 ZeS).
Gleiches gilt selbstverständlich auch bei einem geplanten Abbruch. Ob eine Sanierung des Hauses Türkenstraße 54 noch immer beabsichtigt ist, wird derzeit geprüft. Sollte der Leerstand nicht gerechtfertigt sein, so wird das Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration, erneut mit der Verfügungsberechtigten Kontakt aufnehmen und auf eine Belegung drängen.

Frage 10:
In der Antwort auf unsere Anfrage wird festgehalten, dass „für die Türkenstraße 54 (..) bislang keine Abgeschlossenheitsbescheinigung beantragt oder erteilt“ wurde. Der durch den Eigentümer mit Lärmbelästigung begründete fortgesetzte Leerstand von Wohnungen in der Türkenstraße 54 wiederum würde deren Vermarktung nach einer Umwandlung entscheidend erleichtern, da noch bestehende Mietverhältnisse den erzielbaren Verkaufspreis deutlich schmälern würden. Angesichts dieser pikanten Konstellation: Welche Möglichkeiten des Mieter*innenschutzes sieht die Stadt München im Falle der Beantragung einer Abgeschlossenheitsbescheinigung zur Umwandlung in Eigentumswohnungen?

Antwort:
Die Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung kann, wenn die technischen Voraussetzungen vorliegen, nicht verwehrt werden. In Gebieten im Bereich einer Erhaltungssatzung ist für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen seit dem 1.3.2014 eine gesonderte Genehmigung erforderlich (§ 5 der Verordnung zur Durchführung des Wohnungsrechts und des Besonderen Städtebaurechts – DVWoR). Diese ist beim Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration, Abteilung Wohnraumerhalt, Bestandssicherung zu beantragen. Dieser Hinweis wird vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung bei der Ausstellung von Abgeschlossenheitsbescheinigungen regelmäßig in die Bescheinigung mit aufgenommen.
Das in Frage Nr. 12 erwähnte Baulandmobilisierungsgesetz könnte bzw. wird die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen ebenfalls erschweren. Dies geschieht aber, wie gesagt, unabhängig von einer erteilten Abgeschlossenheitsbescheinigung.

Frage 11:
Rechtfertigt nicht die Tatsache, dass allein im Bereich der Türkenstraße zwischen Theresien- und Schellingstraße gleich mehrere Häuser von Abriss oder Umwandlung akut bedroht sind, die Wiedereinführung einer Erhaltungssatzung für die Maxvorstadt? Hätte die Zerstörung des Mietwohnraums verhindert werden können, wenn das Gebäude weiterhin Teil eines Erhaltungssatzungsgebietes gewesen wäre? Bis in die 90er Jahre war das Gebiet Teil der Erhaltungssatzung Amalienstraße.

Antwort:
Grundsätzlich können die Gemeinden zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB in Bebauungsplänen oder sonstigen Satzungen Bereiche bezeichnen, in denen der Rückbau (Abbruch), die Änderung oder die Nutzungsänderung einer besonderen Genehmigung bedürfen.

Diese Genehmigung darf dann nach § 172 Abs. 4 BauGB nur versagt werden, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll. Die Genehmigung ist aber zu erteilen, wenn auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls die Erhaltung der baulichen Anlage oder ein Absehen von der Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum wirtschaftlich nicht mehr zumutbar ist. Weiter ist die Genehmigung z.B. zu erteilen, wenn die Änderung einer baulichen Anlage der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dient. Weitere Tatbestände, wann eine Genehmigung zu erteilen ist, sind in § 172 Abs. 4 BauGB aufgeführt.

Erhaltungssatzungen gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB sind ausschließlich auf die Vermeidung von städtebaulich negativen Folgewirkungen bei Aufwertungs- und Verdrängungsprozessen ausgerichtet. Negative Folgen durch eine Änderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung sind dann zu befürchten, wenn in einem aufwertungsverdächtigen Gebiet ein größerer Anteil der Bevölkerung potenziell als verdrängungsgefährdet anzusehen ist.
Aufwertungsindikatoren sind z.B. das Alter der Wohngebäude, der Anteil bereits umgebauter (modernisierter) Wohnungen, die Anzahl der erteilten Abgeschlossenheitsbescheinigungen und die Lage von Gebieten und ihrem Umfeld nach dem Mietspiegel.
Indikatoren, auf deren Basis ein Verdrängungspotenzial prognostiziert wird, sind u.a. die mittlere Wohndauer der Bevölkerung, die Altersstruktur, die durchschnittliche Kaufkraft je Einwohner*innen und die Einkommensverhältnisse der Haushalte.

Das Anwesen Türkenstraße 52/54 lag im Bereich der Erhaltungssatzung „Amalienstraße“ vom 5.2.1990, da seinerzeit ein gewisses Aufwertungs- und Verdrängungspotenzial erkennbar war. Diese Erhaltungssatzung trat am 21.2.1990 in Kraft und galt bis zum Ablauf des 20.2.2000. Rechtzeitig vor dem Auslaufen dieser Erhaltungssatzung durchgeführte Untersuchungen konnten jedoch für das Satzungsgebiet das ursprünglich ermittelte Aufwertungs- und Verdrängungspotenzial nicht mehr bestätigen. Die Vollversammlung des Stadtrates hat daher am 15.12.1999 beschlossen, die Erhaltungssatzung „Amalienstraße“ nicht mehr fortzusetzen. Am damaligen Untersuchungsergebnis hat sich bis heute keine Änderung in dem Sinne ergeben, dass nunmehr aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen ein erneuter Erlass einer Erhaltungssatzung für das Anwesen Türkenstraße 52/54 und sein Umfeld nach o.g. Methodik hinreichend ausgestattet werden könnte.

Zudem verhindert die Erhaltungssatzung selbst nicht automatisch den Abbruch von Gebäuden, vielmehr eröffnet dieses Instrument lediglich die Pflicht zur Genehmigung des jeweiligen Vorhabens. Diese Genehmigung kann aber nur unter den Bedingungen des in § 172 Abs. 4 BauGB aufgeführten Gründen versagt werden. § 172 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 3 BauGB spricht von dem „Rückbau“ eines Gebäudes, ein Begriff, der üblicherweise mit „Abbruch“ bezeichnet wird.

Frage 12:
Wie gedenkt sich die Stadt München in Bezug auf die unlängst erfolgte ersatzlose Streichung eines Paragraphen zu erweiterten Umwandlungsvorbehalten im Gesetzesentwurf zur Baulandmobilisierung des Bundesinnenministeriums zu verhalten?

Antwort:
Nach den neuesten Informationen, die dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung vorliegen, wurden die Paragraphen zum erweiterten Um-
wandlungsvorbehalt im letzten Gesetzentwurf des Baulandmobilisierungsgesetzes nicht gestrichen, sondern sind mit enthalten. Gemäß diesem Gesetz sollen bei der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentums-
wohnungen die Antragssteller eine Genehmigung der Behörden einholen, damit Mietwohnungen nicht ohne Weiteres zu Eigentumswohnungen umgewandelt werden können.

Frage 13:
Die Häuser in der Türkenstraße 52/54 wurden erst in den 80ern umfänglich saniert sowie modernisiert und dadurch auf den neuesten technischen Stand gebracht. In den 2000ern wurden die Fassaden neu verputzt. Der Abriss der Wohnungen ist deswegen nicht nur aus Sicht des bezahlbaren Wohnraumes absurd, sondern auch aus ökologischer Sicht. Bei der Be- trachtung der Energiebilanz des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes sprechen Expert*innen sogar davon, dass „eine Sanierung jedem Neubau, selbst dem von Passivhäusern, vorzuziehen ist“. Welche Maßnahmen will die Stadt München ergreifen, um dieser Feststellung gerecht zu werden, nachdem im letzten Jahr der Klimanotstand ausgerufen wurde?

Antwort:
Die Bewertung der ökologischen Folgen eines solchen Neubauvorhabens ist gesetzlich nicht vorgesehen. Die Abwägung liegt in der Erwägung des Investors, der unter zahlreichen Aspekten auch die Kosten von Abbruch und Neubau den Kosten des Bestandserhalts gegenüberstellen wird. Dazu kommt, dass in vielen Fällen moderne Ansprüche an Wohnqualität und gesetzliche Anforderungen, die bei einer Sanierung anspringen, im Altbestand nicht oder nur unter hohem Aufwand geleistet werden können. Dies gilt auch für die technische Gebäudeausstattung und die Erfüllung zeitgemäßer Ansprüche in Sachen Klima und Energie.

Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung bemüht sich in seiner Beratungspraxis natürlich erhaltenswerte Bausubstanz handhabbar zu machen. Letztlich sind es aber die Eigentümer, die die Entscheidung über Abbruch oder Erhalt treffen.

Foto: Abbruch Türkenstraße 52

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