Leserbrief zum SZ-Artikel vom 14. Dezember 2021: Bitte keinen Mist bauen

Sehr geehrte Frau Weissmüller,

herzlichen DANK für diesen hervorragenden Artikel! Man kann nur hoffen, dass Frau Geywitz ihn liest und entsprechende Lehren daraus zieht!

Dass der neuen Bundesregierung, die sich den Kampf gegen den Klimawandel als oberstes Ziel gesetzt hat, nichts Originelleres gegen die Wohnungsnot einfällt als jährlich 400 000 Wohnungen zu bauen, macht mich genau so fassungslos, wie das Festhalten an der „freien Fahrt für freie Bürger“ auf den Autobahnen.

Die Wohnungsnot in Deutschland besteht v.a. darin, dass die Wohnungen in den wachsenden Großstädten zu teuer sind. Es gibt – wie Sie richtig schreiben – im Grunde keinen Mangel an Wohnungen in Deutschland. Sie sind nur nicht dort, wo die Arbeitsplätze sind – bzw. die Arbeitsplätze sind nicht dort, wo es genug bezahlbaren Wohnraum gibt.

Durch eine zielgerichtete Raumordnungspolitik (Bahn- und Breitbandausbau, Kulturförderung für den ländlichen Raum, Subventionen usw.) könnte man – nein müsste man – viele Fehler der Vergangenheit, die zur Landflucht und Überfüllung der Großstädte geführt haben, wieder rückgängig machen. Es ist weder ökologisch noch wirtschaftlich, in den Zentren der kleineren Städte (wunderschöne) Häuser verfallen zu lassen oder – wie das in vielen Orten der neuen Bundesländer geschieht – ganze Wohnblöcke niederzureissen, während man in den überfüllten Städten die letzen Grünflächen und Frischluftschneisen zubetoniert.

Das Ziel, jedes Jahr 400 000 Wohnungen zu bauen, ist ein feines Zuckerl für die Bauwirtschaft sowie für die Zement- und Stahlindustrie.

Um Wohnen billiger zu machen, gibt es bessere Instrumente:

  • Wegfall der Bindungsfrist beim sozialen Wohnungsbau – was Sie richtigerweise als Irrsinn anprangern – dies wäre v.a. beim städtischen sozialen Wohnugsbau sofort machbar (z.B. bei GWG und GEWOFAG).
  • Die Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe in Bundesländern in denen sie abgeschafft wurde, z.B. in Bayern, bzw. regelmäßige Überprüfung der Zuteilungsvoraussetzungen beim München-Modell (wurde vom Münchner Stadtrat abgelehnt).
  • finanzielle Unterstützung von Vermietern, die unter dem Mietspiegel vermieten (Vorschlag von OB Reiter).
  • Arbeitsplätze dort schaffen, wo genug Wohnraum vorhanden ist → Entspannung des Wohnungsmarktes in den Metropolen (→ Modell von Christaller – alt aber richtig).

Erwähnenswert ist auch, dass laut Koalitionsvertrag von den 400 000 Wohnungen nur 25% sozial gefördert sein soll. 75% der Wohnungen werden also teure Investoren-Gelddruckmaschinen und eignen sich hervorragend zur Geldanlage im In-und Ausland (Betongold)!

Wird sich München daran orientieren, bedeutet dies einen deutlichen Rückschritt in Sachen „bezahlbares Wohnen“, denn die SoBon macht höhere Vorgaben.

Über die demographische Entwicklung (Prognose: Rückgang der Bevölkerungs-zahlen in Deutschland!) wurde ebenso wenig nachgedacht wie über die Entwicklung durch home-office. Flächenverbrauch, Ressourcenknappheit (Kies und Sand), Artenschutz, Baumschutz, Klimaresilienz in den Städten, und – wie bereits erwähnt – Klimaschutz spielen bei dieser Vorgabe ebenfalls keine Rolle.

Wie gut, dass Klimaschutz jetzt einklagbar ist ((1 BvR 2656/18 vom 24. März 2021) !

Und noch ein Satz zum viel gepriesenen Betonrecycling (damit wir uns nicht durch dieses schön klingende Wort einseifen lassen):

Es ist gut, dass Beton künftig recycled wird – v.a. weil man dadurch Kies spart und so unsere Ressourcen schont. Allerdings braucht man nach wie vor Zement, um die Betonsplitter zusammenzufügen. Die Zementherstellung hat eine immens hohe

CO²-Emission. Sie macht weltweit 8% aus, mehr als der gesamte globale Flugverkehr. Und das Recyclen mit schweren Maschinen verbraucht zusätzlich viel Energie.

Das wissen Sie. Aber, es wäre wichtig, dass auch Frau Geywitz davon erfährt – und die vielen interessierten SZ – Leser.

Deshalb bitte mehr von diesen gut recherchierten wissenschaftlichen Beiträgen!

Vielleicht interessiert Sie in diesem Zusammenhang die Veranstaltung des Bayerischen Ingenieuretags, an dem Frau Messari-Becker – eine der bedeutendsten Architektinnen mit viel Hintergrundwissen – teilnimmt (s.u.).

Mit vielen freundlichen Grüßen

Sonja S.

Den Artikel aus der SZ finden Sie hier

Foto: © Heinz Gebhadt, Beispielfoto

Ein Kommentar

  1. Ein hervorragender Kommentar! Vor allem, fundiert, weitsichtig und der Wirklichkeit entsprechend. Eigenschaften, die ich bei Ideen und “Lösungen” so mancher Politiker arg vermisse. Sie veranlassen mich lediglich zu einem Kopfschütteln.

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