Rathausumschau vom 4. Februar 2025: Amigobeschluss „Paketposthalle“ – sind die Sonderregelungen für den Investor gerechtfertigt?

Amigobeschluss „Paketposthalle“ – sind die Sonderregelungen für den Investor gerechtfertigt?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Dirk Höpner, Nicola Holtmann und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 16.1.2025

Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:

Mit Schreiben vom 16.1.2025 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.

In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Im Vorfeld des Billigungsbeschlusses zur Bebauung des Paketpost-Areals wurde bekannt, dass die Stadt München die Sanierungskosten der denkmalgeschützten Paketposthalle durch den Investor als Teil der Verpflichtungen nach der Sozialgerechten Bodennutzung (Sobon) anerkennt. Diese Regelung wurde offenbar in internen Runden zwischen Verwaltung, investornahen Fraktionen und dem Bauträger selbst ausgehandelt, ohne im Stadtrat oder öffentlich transparent diskutiert zu werden. Zugleich ist unklar, ob die Sanierung tatsächlich als Investition in die soziale Infrastruktur zu bewerten ist oder primär den Interessen des Investors dient. Die genannten Sonderregelungen werfen grundlegende Fragen zur Rechtmäßigkeit und Transparenz der Entscheidungen sowie zu deren Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Sobon auf.“

In diesem Zusammenhang stellen Sie folgende Fragen:

Frage 1:
In der Vorlage zum Bebauungsplan 2147 wird eine Sobon-Arbeitsgruppe erwähnt. Auf wessen Initiative hin wurde diese gegründet? Wer waren die Teilnehmenden? Wer waren die Einladenden?

Antwort:
Unmittelbar nach dem ersten Beschluss des Stadtrates zur Sozialgerechten Bodennutzung hat der damalige Münchner Oberbürgermeister, Christian Ude, eine hochrangig besetzte, verwaltungsinterne „Referatsübergreifende Arbeitsgruppe“ eingerichtet, die dem Oberbürgermeister direkt unterstellt ist. Die konstituierende Sitzung war am 13.5.1994. Die Arbeitsgruppe wird vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung federführend organisiert und geleitet. Es nehmen in der Regel hochrangige Vertretungen des Referates für Stadtplanung und Bauordnung, des Kommunalreferates,des Referates für Arbeit und Wirtschaft, des Baureferates und des Referates für Bildung und Sport teil.

Frage 2:
Handelt es sich bei dem Deal mit dem Investor, die Sanierungskosten der Paketposthalle als Teil der Sobon-Pflichten anzurechnen, um ein illegales Kompensationsgeschäft?

Antwort:
Nein, es kommt eine in den SoBoN-Verfahrensgrundsätzen vorgesehene Regelungsmöglichkeit zur Anwendung, im Einzelnen siehe unten zu Frage 5. Dabei handelt es sich nicht um eine Anrechnung, sondern um eine zusätzliche Verpflichtung des Investors über die „normalen“ SoBoN-Lasten hinaus.

Frage 3:
Wann wurde die Denkmalwürdigkeit der Paketposthalle erkannt? Wusste der Investor nichts von der Denkmalwürdigkeit, als er das Paketpostareal gekauft hat?

Antwort:
Die Eintragung der Gleishalle des Paketpostamtes in die Denkmalliste erfolgte am 6.3.1996. Dem Investor war dies von Anfang an, auch beim Grundstückskauf, bekannt.

Frage 4:
Erhält der Investor durch diese Regelung steuerliche Vorteile?

Antwort:
Eine Stellungnahme zu steuerlichen Aspekten ist nicht möglich, sie sind nicht Gegenstand der Bauleitplanung.

Frage 5:
Warum wurde dieser Geheim-Deal nicht vorab transparent im Stadtrat diskutiert und öffentlich gemacht?

Antwort:
Es handelt sich nicht um einen Geheim-Deal, sondern um die korrekte Anwendung der Verfahrensgrundsätze der SoBoN in der hier maßgeblichen Fassung von 2017.

Neben den regelmäßig entsprechend den SoBoN-Regularien zu tragenden Kosten und Lasten soll die Planungsbegünstigte hier zusätzlich auch zurSanierung und Instandhaltung der denkmalgeschützten Paketposthalle sowie deren Nutzbarmachung für die Öffentlichkeit verpflichtet werden. Dies dient insbesondere der durch die Bauleitplanung verfolgten Ziele wie der Gewährleistung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse und der Freiflächenversorgung.
Die Verfahrensgrundsätze sehen vor, dass die Planungsbegünstigten, gegebenenfalls anteilig, die ursächlichen Kosten und sonstigen Aufwendungen des Planungsvorhabens sowie kostenrelevante Bindungen zur Förderung und Sicherung bestimmter städtebaulicher Ziele übernehmen sollen. Dabei werden verschiedene Kostenarten und Bindungen aufgeführt, wie unentgeltliche Flächenabtretungen, Herstellungskosten für Erschließungsanlagen und soziale Infrastruktur, sowie weitere spezifische Kosten. Die Verfahrensgrundsätze legen fest: „Sollen im Ausnahmefall andere ursächliche Kosten übernommen werden, ist eine Entscheidung des Stadtrates herbeizuführen.“ Im vorliegenden Fall handelt es sich um solch einen Ausnahmefall, da die Kosten für die Sanierung und Nutzbarmachung der Paketposthalle nicht explizit in den aufgeführten Kostenarten enthalten sind. Der Stadtrat wurde darüber im Rahmen des Billigungsbeschlusses und vorbehaltlichen Satzungsbeschlusses von der Anwendung dieser in den So-BoN-Regularien vorgesehenen Ausnahme informiert und um Zustimmung gebeten. Gründe für eine frühere Befassung des Stadtrats lagen nicht vor. Auf Kapitel 6.1.2 der Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 15429 wird verwiesen.

Frage 6:
Inwiefern sieht die Stadt die Sanierung der Paketposthalle als Investition in die soziale Infrastruktur, die eine Ausnahme von den üblichen Sobon-Vorgaben rechtfertigt?

Antwort:
Wie bereits unter Frage 2 und 5 dargestellt wurde, besteht die Ausnahme nicht darin, dass die Stadt auf übliche SoBoN-Lasten verzichten würde, sondern darin, dass dem Planungsbegünstigten sogar eine zusätzliche Last auferlegt wird.
Die öffentliche Nutzung der Paketposthalle als Freiraum ist ein wesentliches Element der Planungen für das PaketPost-Areal. Neben dem Erhalt eines einzigartigen Industriedenkmals kommt der denkmalgeschützten Halle eine wichtige Funktion bei der Freiraumversorgung der Menschen vor Ort zu. Das Erdgeschoss der Halle soll zentraler Freiraum mit Aufenthaltsqualität sein und vorrangig als Treffpunkt und für Erholung, Spiel, Sport, Bewegung und konsumfreie, auch kulturelle Nutzungen zur Verfügung stehen. Damit kommt die Verpflichtung zur Sanierung der Paketposthalle einer Investition in die soziale Infrastruktur des Areals gleich und wirdermöglicht durch die in den SoBoN Verfahrensgrundsätzen vorgesehene Ausnahmeregelung.

Frage 7:
Welche rechtliche Verbindlichkeit hat die Zusage des Investors, 50 Prozent bezahlbaren Wohnraum zu schaffen? Wie wird sichergestellt, dass diese Zusage auch gilt, sollte der Investor in finanzielle Schieflage geraten oder (wie bereits mehrmals geschehen) das Areal samt Baurecht meistbietend weiterverkauft?

Antwort:
Die Planungsbegünstigte hat in der Charta (Anlage 10 zur Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 15429 „Bebauungsplan mit Grünordnung Nr. 2147 Arnulfstraße (südlich), Birketweg (nördlich und östlich), Wilhelm-Hale-Straße (östlich) – PaketPost-Areal“ der am 5.2.2025 in der Vollversammlung des Stadtrats behandelt werden soll) eine freiwillige Verpflichtungserklärung abgegeben, wonach preisreduzierte Mietwohnungen für systemrelevante Berufe errichtet werden sollen.

Mit Schreiben vom 30.1.2025 hat die Planungsbegünstigte diese Selbstverpflichtung nochmals bekräftigt und die wesentlichen Eckdaten dargestellt. Danach ist die Realisierung von 5.000m² Geschossfläche als Mietwohnungen für den im Schreiben beispielhaft aufgezählten Personenkreis in MU (6) geplant. Die Erstvermietungsmiete soll maximal derjenigen Miete pro Quadratmeter Wohnfläche netto/kalt entsprechen, die in der Landeshauptstadt München für preisgedämpften Mietwohnungsbau gilt, und es wird eine Bindungsdauer von 25 Jahren zugesagt. Die Planungsbegünstigte erklärt sich außerdem bereit, die ordnungsgemäße Belegung der Mietwohnungen gegenüber der Landeshauptstadt München nachzuweisen.

Frage 8:
Handelt es sich bei diesem Geheim-Deal um einen möglichen Präzedenzfall, der Investoren bei zukünftigen Projekten motivieren könnte, ähnliche Forderungen zu stellen?

Frage 9:
Wenn nein, ab wie vielen Bauvorhaben, die ein Investor in München vorantreibt, gelten Hinterzimmer-Absprachen?

Antwort zu Fragen 8 und 9:
Bei jedem Projekt wird die Anwendbarkeit der SoBoN-Regularien individuell von den beteiligten städtischen Referaten geprüft, so dass kein Präzedenzfall zu erwarten ist.Bei der Aufstellung von Bauleitplänen, der Anwendung der Regularien der SoBoN und der Erarbeitung städtebaulicher Verträge und ihrer Folgeverträge gibt es keine „Hinterzimmer-Absprachen“, vielmehr sehen die Verfahrensgrundsätze in diesen Fällen ja gerade eine Stadtratsbefassung vor. Eine solche Stadtratsbefassung wird zunächst in der verwaltungsinternen Arbeitsgruppe Sozialgerechte Bodennutzung vorbereitet,

Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.

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