Abendzeitung vom 28. September 2024: „Nicht die grüne Wiese bebauen“

Die Stadt plant schon lange an zwei großen neuen Siedlungen. Stadtbaurätin Merk erklärt, was sie davon hält und wo sie lieber bauen würde

..AZ: Frau Merk, wenn Sie frei entscheiden könnten: Würden Sie lieber oben in einem der 150-Meter-Türme leben, die an der Paketposthalle geplant sind, oder in Trudering in einem Einfamilienhaus mit Garten?
ELISABETH MERK: Irgendwo dazwischen. Einfamilienhaus mit Garten auf jeden Fall nicht. Und im Turm… – eigentlich hätte ich gern so ein 60- bis 80-Meter-Haus mit einer Genossenschaft in Holzbau. Vielen finden: Selbst solche kleineren Hochhäuser zerstören die Münchner Stadtsilhouette. Was entgegnen Sie? Wir sitzen ja gerade im sechsten Stock eines kleinen Hochhauses, dem ersten in der Münchner Altstadt.
Und das zeigt: Wenn das Hochhaus an der richtigen Stelle steht, die richtigen Nutzungen und Materialien hat, können Hochhäuser funktionieren. Unser Hochhaus ist ja aus Backstein und kein verspiegelter Turm, der den Maßstab in der Altstadt sprengt.
Die Türme an der Paketposthalle werden doch eher eine Glasfassade haben und nicht aus Backstein oder Holz sein. Was haben die Münchner davon?
Wir in München haben als einzige Stadt in Deutschland die Flächen entlang der Bahn bebaut. Dort fehlt aber ein architektonisches Highlight. Das Büschl-Hochhaus könnte so wie das BMW-Hochhaus eine Landmark werden. Und dadurch, dass es die Paketposthalle gibt, die in dem Areal wie eine große Schildkröte sitzt, finde ich eine vertikale städtebauliche Gestaltung überzeugend. Natürlich stellt sich die Frage, wie einmal die Fassaden aussehen sollen. Doch diese Planung kommt erst später. Die SPD meint, dass mit den Türmen bezahlbarer Wohnraum entsteht. Wetten wir um einen Aperol Spritz, dass in die Türme kein einziger Sozialhilfe-Empfänger einzieht? Ich wette grundsätzlich nie. Aber es sollen ja nicht nur in den Türmen Wohnungen entstehen. Gegenüber der Paketposthalle wird eine Grünfläche mit Bäumen realisiert. Da entsteht ein Holzturm mit Wohnungen. Wie der Wohnraum verteilt wird, werden erst die weiteren Beschlüsse zeigen. Wichtig ist für uns: Für diese Planungen müssen wir keine grüne Wiese bebauen, es gibt schon eine super ÖPNV-Anbindung. Das ist ein guter Ort, um viele Wohnungen zu bauen – bezahlbare und frei finanzierte, die das Projekt erst möglich machen. Interessanter wäre aber eine Wette, was in die Halle reinkommt.

Der CSU-Abgeordnete Robert Brannekämper will mit einem Bürgerbegehren die Türme stoppen. Wie groß ist Ihre Sorge, dass er das schafft?
Ich hoffe, dass sich die Bürgerinnen und Bürger vielseitig informieren, bevor sie unterschreiben. Denn die Pläne, die er veröffentlicht hat, entbehren jeglicher Realität. Und das erfüllt mich mit Sorge, dass jemand, der selbst Architekt ist und im Münchner Stadtrat war, falsche Pläne verbreitet. Was passiert mit dem Areal, wenn er Erfolg hat? Nichts? Das kann ich mir nicht vorstellen. Dazu ist das Areal viel zu interessant. Es ist eher eine Frage, wie lange es dauert.

Warum machen Sie dann überhaupt eine SEM, also eine Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme ?
Zunächst möchte ich deutlich klarstellen, dass es derzeit keine SEM gibt. Weder im Münchner Norden noch im Nordosten. Bislang wurden lediglich vorbereitende Untersuchungen eingeleitet. Diese dienen dazu, herauszuarbeiten, ob und in welchem Umfang Wohnungsbau möglich und rechtlich umsetzbar ist. Und dies, ohne direkt eine Erhöhung der Bodenpreise anzustoßen. Es sind auch andere Varianten als eine SEM denkbar, beispielsweise eine Kooperation über städtebauliche Verträge. Aber es gibt Orte in München, an denen ich lieber bauen würde.

..Sie möchten noch mal als Stadtbaurätin antreten. Was wird Ihr großes Projekt für die nächste Amtszeit? Das ist tatsächlich der bezahlbare Wohnungsbau. Da nicht locker zu lassen – trotz der ganzen Widerstände, ob das die Baukostenerhöhung ist oder die Energiepreise. Mir geht es nicht um Prestige-Projekte. Wir müssen für das Gemeinwohl liefern. Aber, wenn ich ehrlich sein soll, ein Projekt hätte ich schon noch gerne.
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von Christina Hertel

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