Süddeutsche vom 29. März 2023: Droht München ein Gentrifizierungsschub?

Tech-Konzerne wie Apple und Google investieren im großen Stil. Die Wirtschaftsgeographin Susann Schäfer prophezeit: Das wird die Stadt verändern – nicht nur zum Guten.

Interview von René Hofmann:

Frau Schäfer, Apple baut München zu seinem europäischen Zentrum für Chip-Design aus. Mehr als 2000 Spezialistinnen und Spezialisten sollen für die Firma bald hier arbeiten, ein eigenes Grundstück an der Seidlstraße unweit des Hauptbahnhofs wurde gekauft. Im gleichen Viertel verstärkt Google sein Engagement in der “Arnulfpost”. Droht deshalb ein Gentrifizierungsschub?

Susann Schäfer: Aus wirtschaftlicher Perspektive ist bei einer Ansiedlung von solch substanzieller Größe in der Regel mit einer Reihe positiver Aspekte zu rechnen: Es werden Arbeitsplätze geschaffen, die Kaufkraft steigt, je nach Firma kann sich das Image einer Stadt positiv verändern und damit weitere Firmen und Start-ups nach sich ziehen. Durch die Größe der Investition und des Qualifikationsgrades der dort Beschäftigten ist auch davon auszugehen, dass es einen Widerhall auf dem städtischen Immobilienmarkt geben wird.

Wieso ist das so?

Apple und Google sind Unternehmen, die vor allem hochqualifizierte Angestellte beschäftigen, die ein überdurchschnittliches Gehalt erhalten – Menschen, die meistens einen Hochschulabschluss erlangt haben und von Richard Florida als “kreative Klasse” bezeichnet werden. Solche Personen wollen voraussichtlich in München leben und arbeiten, um die vielfältigen Angebote einer Stadt wahrzunehmen.

…..

Muss sich München auf eine Entwicklung einstellen, die zu Verhältnissen führen könnte, wie sie London oder Paris heute schon erleben?

Mit solchen Vergleichen wäre ich vorsichtig. Hierzu gibt es zu viele Unterschiede: in den demografischen Größen, in der Wirtschaftsstruktur. In Frankreich konzentriert sich vieles auf Paris, in Deutschland haben wir ein föderales System, was sich natürlich auch auf die Wirtschaftsstruktur auswirkt. Eine ähnliche Tendenz aber dürfte sich schon beobachten lassen: Der Pendelverkehr wird vielerorts zunehmen, was die Städte – nicht nur was den Wohnraum angeht – vor Herausforderungen stellt, sondern auch in Bezug auf eine nachhaltige Mobilität. Kurze Arbeitswege werden eine Art Luxusgut.

weiterlesen (leider nur mit SZ-Abo)

Dazu ein Antrag im Münchner Stadtrat der ÖDP und München Liste:

München entlasten:
München unterlässt Werbung zur Neuansiedlung weiterer Konzerne / Immobilienmessen meiden!
Um die Konkurrenz am Mietmarkt durch gutverdienende Zuzügler und die Wohnungsnot zu lindern, unterlassen die Stadt München und mit ihr verbundene Unternehmen (z.B. Messe, Flughafen) bis auf Weiteres jegliche Werbung im In-und Ausland für die Neuansiedlung weiterer Konzerne.

Sie tritt nicht mehr auf Immobilienmessen und ähnlichen Werbeveranstaltungen auf.

Begründung:
Nach der Veröffentlichung des Mietspiegels für 2023 mit dem dramatischen Anstieg von 21 Prozent, der immer stärkeren Ansiedlung von Tech-Konzernen wie Apple mit vielen hoch dotierten Jobs, der neuerlichen Verteuerung der 2. S-Bahn-Stammstrecke auf bis zu 14 Milliarden Euro und dem erfolgreichen Grünflächen-Bürgerbegehren wird niemand mehr bestreiten wollen, dass die bisherige, wachstumsorientierte Unternehmensansiedlungspolitik keine Zukunft hat.
Der Gedanke, durch immer mehr Firmenansiedlungen immer mehr Gewerbesteuer einzunehmen, die man dann in Wohnungsbau und Infrastruktur steckt, hat sich aus verschiedenen Gründen als falsch erwiesen .Normal- und Wenigverdiener werden durch gutbezahlte Zuzügler verdrängt, die in neu erbauten Luxuswohnungen residieren. Viele Studierende, Alleinerziehende, Arbeitsunfähige und ähnlich Belastete haben keine Chance mehr. Familien verlieren das mühsam angesparte, von den Eltern oder Großeltern gebaute Häuschen, weil durch die Verteuerung von Boden die Erbschaftssteuern, aber auch Erhaltungs-und Betriebskosten hochschnellen. Soziale Vermieter müssen aufgeben, weil die Mieteinnahmen die Kosten nicht mehr decken. Dazu kommt der Verkehrsinfarkt und die massive Flächenversiegelung. Auch die Stadtverwaltung leidet darunter!
Denn statt sich mit der Wohnungsnot bei Gering- und Normalverdienern zu befassen, muss sie – vor allem das Planungsreferat, aber u.a. auch die Referate für Bau, Klima/Umwelt, Schulen, Mobilität etc. – sozial unverträgliche Luxusprojekte bearbeiten und gegen die Folgen des Wirtschaftswachstums für die Infrastruktur anarbeiten, etwa durch Schulbauten. Hier ist Entlastung dringend nötig

Ein Kommentar

  1. auch zum Thema!
    Dieser aktuelle Stadtrats-Antrag der München-Liste spricht allen aus dem Herzen, die sich Sorgen machen zur übertriebenen Arbeitsplatzschaffung, Bebauung, Versiegelung und laufenden Zerstörung unserer grünen Infrastruktur und Stadtnatur, – ja letztendlich Sorgen um die Gesundheit von uns Münchner Bürgern -und denen des Umlandes!

    <<<<<<<<<<<<<<
    München, 29.03.2022
    Rathaus Umschau Nr. 062
    https://ru.muenchen.de/2023/62
    (Anträge und Anfragen aus dem Stadtrat)

    Antrag: München-Liste/ÖDP
    komplett s. hier: (https://risi.muenchen.de/risi/antrag/detail/7669816 )

    München entlasten: München unterlässt Werbung zur Neuansiedlung weiterer Konzerne/Immobilienmessen meiden!

    Um die Konkurrenz am Mietmarkt durch gutverdienende Zuzügler und die Wohnungsnot zu
    lindern, unterlassen die Stadt München und mit ihr verbundene Unternehmen (z.B. Messe,
    Flughafen) bis auf Weiteres jegliche Werbung im In- und Ausland für die Neuansiedlung
    weiterer Konzerne.Sie tritt nicht mehr auf Immobilienmessen und ähnlichen Werbeveranstaltungen auf.

    Begründung:

    Der Gedanke, durch immer mehr Firmenansiedlungen immer mehr Gewerbesteuer
    einzunehmen, die man dann in Wohnungsbau und Infrastruktur steckt, hat sich aus
    verschiedenen Gründen als falsch erwiesen.
    Normal- und Wenigverdiener werden durch gutbezahlte Zuzügler verdrängt, die in neu
    erbauten Luxuswohnungen residieren. Viele Studierende, Alleinerziehende, Arbeitsunfähige
    und ähnlich Belastete …
    Dazu kommt der Verkehrsinfarkt und die massive Flächenversiegelung.
    Auch die Stadtverwaltung leidet darunter!
    …muss…Luxusprojekte bearbeiten… Hier ist Entlastung dringend nötig.

    Initiative:
    Dirk Höpner, Planungspolitischer Sprecher
    Nicola Holtmann, Stadträtin, Tobias Ruff, Fraktionsvorsitzender, Sonja Haider, Stadträtin

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert