FAZ Feuilleton vom 17. Februar 2023: Vom Kopf auf die Füße

In München wird immer härter um den Bau von zwei Hochhäusern gestritten. Der „Masterplan“ stößt in der Bürgerschaft auf Widerspruch und die Politik hat sich mit Partizipationstheater in die Bredouille gebracht.
….Die Schweizer Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron haben sich um München verdient gemacht. Vom Ausstellungshaus für die Kunstsammlung Goetz (1992) über das innerstädtische Quartier der „Fünf Höfe“ (2001) bis zur neuen Fußballarena (2005) haben die Bauten des Büros Herzog & de Meuron die bayerische Landeshauptstadt nachhaltig bereichert. Umso größer war die Enttäuschung, als vor vier Jahren ihr „Masterplan“ für das Areal um die frühere Paketposthalle im Stadtteil Neuhausen der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Für Erschrecken, nicht zuletzt in der Münchner Architektenschaft, sorgte vor allem der Entwurf von zwei modisch wirkenden Hochhäusern mit konkaver Fassade an städtebaulich sensibler Stelle.

……Investor Büschl beharrt bislang auf seinem projekt und arbeitet dabei mit Zuckerbrot und Peitsche. einerseits lockt er mit dem Versprechen, die Paketposthalle für kulturelle und soziale Zwecke zu öffnen, wobei bis heute unklar ist, wie hoch die Kosten allein für die Sanierung der in die Jahre gekommenen Halle ausfallen würden. auf der anderen Seite droht er damit, lediglich Gewerbebauten zu errichten (was der bisherige Bebauungsplan gestatten würde), sollte sein Masterplan von der Stadt nicht genehmigt werden.

…Die Stadt wiederum hat sich selbst eine Falle gestellt. Voreilig leitete der Stadtrat schon im Oktober 2019 das Genehmigungsverfahren für den neuen Bebauungsplan ein. Überrascht vor allem durch die Kritik aus der Fachwelt, gab er – seit der Kommunalwahl 2020 nunmehr grün-rot dominiert – ein „Bürgergutachten“ in Auftrag: 112 zufällig ausgewählte Münchner Menschen durften über das Projekt befinden, nicht zuletzt über seine Nachhaltigkeit. sie sprachen sich Anfang 2022 mehrheitlich für Hochhäuser aus, forderten aber zugleich einen Wettbewerb.

Die örtliche Presse begleitet die Büschlplanung überwiegend mit Wohlwollen. Doch wenigstens in ihrem Lokalteil lässt die „Süddeutsche Zeitung“ auch kritische Stimmen zu Wort kommen. Ein Beispiel: Der für Architektur und Stadtentwicklung zuständige Redakteur sprach kurz nach der Vorlage des „Bürgergutachtens“ mit Thomas Auer, seit 2014 Professor für klimagerechtes Bauen an der TU München. Dieser sagte auf die Frage, was Hochhäuser zur Nachhaltigkeit beitragen können, kurz und bündig: „nichts.“
..Thomas Auer bedauert, dass es im Fall des Paketpost-Areals keinen Wettbewerb gegeben hat.

…..Als kürzlich im Rathaus der Entwurf der neuen Münchner Hochhausstudie vorgestellt wurde, plädierte auch die parteilose Stadtbaurätin Elisabeth Merk für maßvolle Höhen, bei Wohnhochhäusern für maximal 60 Meter. und im Unterschied zu manchen Stadträten, die das Gegenteil behaupten, sagte sie: „Hochhäuser können nicht das Wohnungsproblem der Stadt München lösen.“ solche Äußerungen lassen erkennen, dass die Stadtbaurätin in der kommunalpolitischen Gemengelage keine einfache Position hat. so sagte sie etwa bei einer Podiumsdiskussion in der Bayerischen Akademie der schönen Künste, dass sie sich für das Paketpost-Areal einen Wettbewerb vorstellen könne. Besonders schön wäre es, könnte man sich
auf ihr Wort auf einem anderen Podium verlassen: „Der Stadtrat lässt sich nicht treiben von namhaften Architekten und Investoren. Er hat die Planungshoheit.“

…..Ein wirklicher Befreiungsschlag wäre es, wenn die grün-rote Rathauskoalition beim Paketpost-Areal endlich auf renommierte Stimmen aus der Fachwelt hören würde. Der Architektenverband BDa München-Oberbayern hat einen Ausweg gewiesen, indem er einen städtebaulichen Wettbewerb fordert. Dadurch könnte der Planungsprozess „vom Kopf auf die Füße“ gestellt werden und die Stadt ihre volle Planungshoheit wiedergewinnen. genau so steht es auch in der neuen Hochhausstudie: Dort ist der Wettbewerb als der entscheidende dritte Planungsschritt verankert.
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von Wolfgang Jean Stock

Foto: Paketposthalle, Bestand © LHM

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