Süddeutsche vom 29. Juli 2022: 132 500 Euro Geldstrafe für Abriss des Uhrmacherhäusls

Das Amtsgericht München spricht den Eigentümer und einen Bauunternehmer wegen Sachbeschädigung schuldig. Der Prozess wirft auch ein Licht auf die harschen Methoden auf dem Münchner Immobilienmarkt.

Hinter der Maske ist nicht erkennbar, wie Andreas S. das Urteil aufnimmt. Ganz gelegen kommt es ihm offenbar nicht, vor allem zeitlich. Kurz vor Ende der Ausführungen von Richter Martin Schellhase verlässt S. den Saal B 275 des Strafjustizzentrums in München. Er muss zum Flughafen. “Danke, schöne Sommerferien”, sagt der 45 Jahre alte Eigentümer des Uhrmacherhäusls beim Hinausgehen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
….Sie hätten gemeinsam geplant, das denkmalgeschützte Uhrmacherhäusl in Obergiesing an zwei Tagen im Spätsommer 2017 mutwillig illegal abzureißen, so sieht es das Gericht. Eigentümer S. habe auf dem Grundstück an der Oberen Grasstraße ein neues größeres Haus bauen wollen, entsprechende Zeichnungen gebe es.
….Zuvor hatte S. den Mietern des Hauses wegen Eigenbedarf gekündigt und ihnen daraufhin das Wasser abgedreht, den Strom abgeschaltet sowie Dachziegel am Haus entfernt.
…”Ich gehe davon aus, dass es einen Plan gab, das Uhrmacherhäusl abzureißen”, sagt Richter Schellhase in seinem Urteilsspruch. Ein Versehen durch zwei miteinander verwechselte Baustellen – wie es die Verteidigung immer wieder versuchte hatte, glaubhaft zu machen – passt für den Richter nicht ins Bild, zumal einige der beauftragten Handwerker niemals von einer anderen Baustelle als jener in Obergiesing gehört hatten.

Hauseigentümer Andreas S. sei mit “äußerster krimineller Energie” vorgegangen, um die im Gebäude verbliebenen Mieter zu vertreiben. Auf Bildern habe man gesehen, dass Wasser in das Haus eingetreten und es dadurch “eine einzige Eistruhe” geworden sei. Der Angeklagte habe eine Gesundheitsgefährdung der Mieter in Kauf genommen. ….

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von Lea Kramer

Dazu auch ein Bericht beim BR ( Chronologie eines Skandals: Das Uhrmacherhäusl in Giesing)

Ein Kommentar

  1. Das Uhrmacherhäusl als Symbol der Wehrhaftigkeit!

    Zu diesem Schuldspruch und Erfolg wäre es wohl nicht gekommen, wenn die Bürgerinitiative “Heimat Giesing” (https://de-de.facebook.com/heimatgiesing/) – allen voran Angelika Luible – nicht so wacker monatlich zum Thema hochinformative Info-Demo-Veranstaltungen Vorort durchführen würden.* Danke für die viele Arbeit!!

    “Das kleine Uhrmacherhäusl ist zum großen Symbol geworden”
    überschreibt Bernd Kastner seinen Kommentar in der SZ vom 29.7. ganz richtig:
    https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-uhrmacherhaeusl-urteil-sanierung-kommentar-1.5630449

    “…Brutalität auf dem Bau wirkt durch die Macht des Faktischen: Weg ist weg, raus ist raus. Ob sich das Uhrmacherhäusl wirklich wiederaufbauen lässt, muss sich erst zeigen. Dort versuchten vor Jahren aufmerksame Nachbarn, den Bagger zu stoppen, vergeblich. Also künftig wegschauen, weil, bringt ja eh nichts? Nein, hinschauen, intervenieren, trotzdem! Das gilt für Bürger wie Behörden. Nur wenn jene, die mit Skrupellosigkeit Geld verdienen wollen, wissen, dass es sie teuer zu stehen kommen kann, werden sie es sich anders überlegen. So gesehen ist das Uhrmacherhäusl auch ein Symbol der Wehrhaftigkeit.”

    und auch bei Sanierung ist Bürger-Beobachtung und – Beteiligung wichtig!! :
    “Ein Signal also ist das Urteil: Gesetze gelten auch für Sanierer, auch sie müssen Baudenkmäler schützen und mit Menschen sorgsam umgehen. Wie nötig das Betonen einer Selbstverständlichkeit ist, deutet sich in der Thalkirchner Straße 80 an, im wohl bekanntesten Sanierungshaus der Stadt, auch denkmalgeschützt. Dort wurden alte Türen und Türstöcke herausgerissen. Die Stadt ließ den Bau stoppen, startete ein Bußgeldverfahren und will die weiteren Arbeiten aufmerksam begleiten. Das ist richtig und wichtig.”
    schreibt dazu Bernd Kastner.

    *viele Artikel zum Uhrmacherhäusl sind auch hier zu finden: https://buergerdialog.online/?s=uhrmacherh%C3%A4usl

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