Pressemeldung der BI Ü60: Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Stadtrat und Referat für Stadtplanung München wegen Vollzugsverschleppung

Die Bürgerinitiative „Ü60“ sowie weitere um Natur, Gesundheit und Lebensqualität besorgte Bürgerinnen und Bürger reichen bei der Regierung von Oberbayern eine Dienstaufsichtsbeschwerde wegen jahrzehntelanger Vollzugsverschleppung und offensichtlicher taktischer Verschleierung finanzieller Gewinnmaximierungsaktivitäten bei der Ausweisung eines Landschaftsschutzgebiets im Stadtteil München-Solln ein.

Vor nunmehr 27 Jahren, in der Sitzung am 21.07.1993, hat der Stadtrat der Landeshauptstadt München beschlossen, die südlichen und östlichen Ackerflächen als Ergänzung des bestehenden Landschaftsschutzgebietes „Sportpark der Firma Siemens“ unter Schutz zu stellen (s. Amtsblatt der Landeshauptstadt München – Nr. 24/2007). Geschehen ist seither nichts. Wiederholt hatten wir auch in diesem Jahr auf unsere Anfrage Schreiben seitens des Oberbürgermeisters Dieter Reiter, des Stadtbaureferats, des Planungsreferats und der Lokalbaukommission erhalten, wonach dem Nichtvollzug langwierige Abstimmungsprozesse auf der Ebene von Politik und Verwaltung vorgeschoben wurden. Da von „unterschiedlichen Interessenlagen“ die Rede ist, drängt sich der Verdacht auf, dass die Stadtverwaltung, allen voran Herr Oberbürgermeister Dieter Reiter, den rechtsmäßigen Vollzug der Ausweisung zum Landschaftsschutzgebiet aus taktischen Gründen zurückhält. Dieser Verdacht erhärtete sich durch einen am 19.02.2019 veröffentlichten Antrag der damals amtierenden Stadtratsfraktionen der SPD und CSU an OB Reiter, mit dem der Bau von 1.800 Wohneinheiten auf nur 10 Hektar Fläche genehmigt werden sollte.

Diese als solche empfundene Hinhaltetaktik und den damit verbundenen Vertrauensverlust in die ökologische und demokratische Integrität der Politik nehmen wir als Anlass zu der oben erwähnten Dienstaufsichtsbeschwerde. Die gesundheitlichen Belastungen für die Anwohner wären enorm, wenn die dichte Bebauung die Frischluftzufuhr aus dem Isartal unterbricht und zusätzliche Erschließungsstraßen die Luftverschmutzung erhöhen würden. Eine nur aus Beton bebaute Stadt ohne Grünflächen und natürliche Artenvielfalt ist keine Stadt. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass die Ausweisung des Landschaftsschutzparks Isar-Solln endlich vollzogen und zum Abschluss gebracht wird – es wäre nur ein weiterer Schritt, den in 2019 ausgerufenen Klimanotstand und die Klimaschutz-Bekenntnisse der Stadt wirksam in die Tat umzusetzen.

Die Bürgerinitiative Ü60

Die beiden braunen Flächen sollen bebaut werden

2 Kommentare

  1. Danke für die Initiativen und Beiträge, die ich gerne aktiv unterstütze.
    Wir alle, Jung und Alt tragen eine große Verantwortung, dass die nachfolgende Generation in einem gesunden Umfeld aufwachsen kann. Das geht uns doch alle an!
    Bereits jetzt schaffen wir es nicht, die klimatische Situation in München zu verbessern, stattdessen steigt die Erwärmung ständig an, ohne dass es jemand juckt. Durch unüberlegte Riegelverbauung dringend benötigter Frischluftschneisen und großflächigem Zubetonieren mit maximaler Baudichte, verbauen wir allen Bürgern dieser noch lebenswerten Stadt den für unsere Gesundheit so wichtigen Frischluftaustausch von West nach Ost. Auch ich verstehe, dass Wohnraum benötigt wird. Aber nicht durch ungezügeltes Bauen, um gierigen Baulöwen den Sack zu füllen. Was dieser Stadt fehlt, ist ein Gesamtkonzept, das unsere Gesundheit in den Vordergrund stellt und das Bauen dort erlaubt wo es gesundheitsverträglich vertretbar und ökologisch sinnvoll ist. Wir müssen jetzt handeln bevor es zu spät ist.

  2. Meine Antwort auf ein Rückschreiben des BR. Dieses bezog sich wiederum auf den Kommentar eines engagierten Bürgers zu einer Sendung zum Thema „Wohnen“ aus der Sendereihe „jetzt red i“, vom 10.03.2021.

    Sehr geehrte Frau Schwarz,

    als Mitglied der Bürgerinitiative „Interessengemeinschaft Landschaftsschutzpark Isar-Solln“ möchte ich mich den Argumenten von Herrn Englmaier anschließen. Hier geht es nicht nur um Natursentimentalität und Klima-Bedenken einzelner Bürgerinnen, die gut genug gestellt sind, sich über solche Luxusprobleme Gedanken zu machen – die sie keineswegs sind. Dass die Erhaltung von Grünflächen, von Altbaumbeständen als Spender von Schatten, Luftfeuchtigkeit und Schadstofffilter, die Bewahrung erlebbarer Naturvielfalt selbst mitten in Großstädten – was sich gerade in Lockdown-Zeiten als Trost für viele Menschen erwiesen hat – zu den vordringlichsten, existenziellsten Aufgaben unserer Zeit gehören, sollte längst in der Öffentlichkeit angekommen sein. 2019 hat die Stadt München auf viel öffentlichen Druck den Klimanotstand ausgerufen, doch passiert ist seitdem wenig. Im Gegenteil, die aktuelle Politik steuert den Erfordernissen einer wirklichen Klimaresilienz und einer Entwicklung zu klimaneutraler Nachhaltigkeit durch die ungebremste Bautätigkeit und Nachverdichtung konsequent entgegen.

    Die zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden spricht in ihrem Wahlprogramm und auf ihrer Internetseite von einer von 7 bis 21 Uhr durchgehenden Rush hour, wenn der Zuzug, der damit verbundene Bau von Erschließungsstraßen und die Zunahme an Privatautos so anhalten wie in den letzten ca. 13 Jahren. Sie widerspricht ihren eigenen (angeblichen?) Visionen, indem sie im Einklang mit SPD und CSU am Mantra des „Bauen“, „bauen“, „bauen“ festhält.

    Dabei ist diese Strategie sogar kontraproduktiv für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Veranschaulicht sei dies am Beispiel des neu aus der Erde gestampften Stadtteils Freiham: Die Nähe der Stadt München, die gute Lage (Anbindung an Arbeits- und Ausbildungsplätze einerseits, Erreichbarkeit von Nahzerholungszielen über die Lindauer Autobahn andererseits) sind die Preise für neue Bebauungsflächen dort so stark angestiegen, dass Wohnbaugenossenschaften wie GeWoFag und GWG vom Bieterverfahren praktisch ausgeschlossen waren. So drängt sich der Verdacht auf, der ständige Verweis auf bezahlbaren Wohnraum ist nur ein vorgeschobenes Argument, um in Wirklichkeit eine Bebauung zu fördern, die wenigen Großinvestoren nach einer längst fehlgeleiteten Wachstumsideologie Gewinne bringt, aber zulasten der Natur, des Klimaschutzes, vor allem aber der überwältigenden Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger geht. Eine derart unsoziale Baupolitik, als die sie sich entpuppt, gefährdet nach meinen Befürchtungen sogar auf lange Sicht den sozialen Frieden und die berufliche Infrastruktur in dieser Stadt, denn wie sollen es sich Angehörige so dringend benötigter Berufsstände wie Pflegepersonal, Polizei oder auch viele Kassenärzte noch leisten, in München zu leben und zu arbeiten? „Bauen“, „bauen“, „bauen“ ist eben nicht das Allheilmittel gegen Wohnungsnot, sondern im Gegenteil deren Hauptursache, wenn es nicht sozial- und umweltverträglich umgesetzt wird! Über die Integrität mancher Stadträte in diesem Zusammenhang will ich keine Mutmaßungen anstellen. Aber wie auch Herr Englmaier darstellte, stimmt mich Herrn Reiters offensichtliche Zurückhaltung bei der Ausweisung des seit 28 Jahren geplanten Landschaftsschutzparks zumindest zwiespältig.

    Die Freiflächen westlich der Wolfratshauser Straße und südlich der Siemensallee bilden eine der letzten Frischluftschneisen im Süden der Stadt. Sie saugen kühlere Luft vom westlichen Umland zum Isartal, das diese Luftmassen wiederum in die erhitzten Innenstadtbereiche leitet. Wegen der Kühlungsfunktion vor allem für den ohnehin schon stark verdichteten Stadtteil Obersendling muss diese Freifläche unbedingt erhalten bleiben. Nicht zuletzt macht der in Solln; Obersendling und Thalkirchen noch teilweise erhaltene Wechsel von dichter Bebauung, größeren Gärten, Grünflächen und Waldstücken für mich persönlich einfasch Heimatgefühl aus. Dafür setze ich mich mit Herrn Englmaier ein, dem ich für seine Leserbrief-Initiative sehr danke.

    Ich bitte Sie und Herrn Schöberl, künftig mehr über die oben genannte Problematik zu berichten.

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Anton Vogel

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