Trotz des illegalen Abrisses – städtischer Auftrag für Uhrmacherhäusl-Eigentümer?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Tobias Ruff und Johann Sauerer (ÖDP) vom 28.1.2020
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 28.1.2020 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Der illegale Abriss des denkmalgeschützten Uhrmacherhäusls in Giesing hat tiefe Wunden in der Stadt hinterlassen. Jeden Monat treffen sich auch knapp drei Jahre nach dem Abbruch zahlreiche engagierte Bürgerinnen und Bürger zu Mahnwachen und haben Bürgerinitiativen gegründet. Die- ses Signal war und ist mehr als eindeutig – so ein respektloser Umgang mit der Münchner Stadtgeschichte darf sich nicht wiederholen. Die Landeshauptstadt München muss hart gegen die Verantwortlichen vorgehen. Doch heute berichten einige große Tageszeitungen, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft GEWOFAG dem Investor, gegen den wegen des illegalen Abrisses noch ein Gerichtsverfahren läuft, einen Großauftrag erteilt hat. Die Rohrreinigungsfirma des Eigentümers hätte sich um 35.000 Wohnungen kümmern sollen. Erst infolge des öffentlichen Drucks wurde der Vertrag aufgekündigt.“
Frage 1:
Wurde dem Aufsichtsrat, dem einige Stadträte der großen Fraktionen angehören, die Vergabe des Großauftrages an den Uhrmacherhäusl-Eigentümer vorgelegt? Wenn nein, warum wurden sie bei diesem heiklen Sonderfall nicht involviert?
Antwort:
Die Vergabe von Rohrreinigungsdienstleistungen wurde seitens der GEWOFAG nicht dem Aufsichtsrat zur Entscheidung vorgelegt. Das geschätzte Auftragsvolumen erreicht bei Weitem nicht die im Gesellschaftsvertrag festgelegte Höhe für eine Aufsichtsratspflichtigkeit. Die GEWOFAG teilte mit, dass der Geschäftsleitung der GEWOFAG zum Zeitpunkt der Bezuschlagung nicht bekannt war, dass der geschäftsführende Gesellschafter der mitbietenden Firma gleichzeitig der Eigentümer des Uhrmacherhäusls war.
Frage 2:
Wussten die Geschäftsführer der GEWOFAG von der Vergabe des Auftrages an einen Investor, gegen den die Stadt momentan vor Gericht klagt? Wenn nein, warum wurden sie bei diesem heiklen Sonderfall nicht involviert?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 1. Die GEWOFAG teilte mit, dass die Geschäftsleitung der GEWOFAG zum Zeitpunkt der Vergabe keine Kenntnis über die Personenidentität hatte.
Frage 3:
Gibt es andere Aufträge der GEWOFAG, die an den Investor vergeben wurden?
Antwort:
Weitere Aufträge gibt es nach Mitteilung der GEWOFAG nicht.
Frage 4:
Gab es bei der Vergabe eine Einzelfallprüfung? Wenn nein, in welchen Fällen werden die Vergaben detaillierter geprüft?
Antwort:
Die Vergabe von Rohrreinigungsdienstleistungen wurde seitens der GEWOFAG in einem europaweiten offenen Ausschreibungsverfahren, unterteilt in 5 Lose, durchgeführt. An einem solchen offenen Verfahren kann sich jedes in Europa ansässige Unternehmen beteiligen, die Ausschreibungsunterlagen sind elektronisch abrufbar. Der Zuschlag erfolgte nach den Ausschreibungsbedingungen je Los an das wirtschaftlichste Angebot. Die eingereichten Angebotsunterlagen und Erklärungen der Bieter wurden vor Beauftragung geprüft.
Frage 5:
Welche Folgen hat es für die GEWOFAG und damit für die Landeshauptstadt München, wenn bereits erfolgte Vergaben zurückgezogen werden? Gibt es Schadensersatzansprüche gegen die GEWOFAG? Wenn ja, in welcher Höhe?
Antwort:
Der Vertrag wurde seitens der GEWOFAG außerordentlich und, hilfsweise, ordentlich gekündigt. Die außerordentliche Kündigung stützt sich auf die Tatsache, dass die anbietende Firma wesentliche Angaben, insbesonderezur baurechtlichen Zuverlässigkeit des geschäftsführenden Gesellschafters, nicht gemacht hat. Diese Zuverlässigkeit ist jedoch unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die GEWOFAG einen Auftragnehmer in ihren Gebäuden arbeiten lassen kann. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung bedarf keines Grundes.
Eine Bezifferung von Ansprüchen liegt derzeit nicht vor. Die GEWOFAG wird umgekehrt ihrerseits Ansprüche gegen den ehemaligen Vertragspartner erheben, da beispielsweise die notwendig werdende Wiederholung der Ausschreibung zusätzliche Kosten verursachen wird.
Frage 6:
Kann die Vergabe kurzfristig an ein anderes Unternehmen übertragen werden?
Antwort:
Die dauerhafte anderweitige Vergabe der Leistungen kann erst nach Wiederholung der europaweiten Ausschreibung erfolgen. In der Zwischenzeit werden Rohrreinigungsleistungen durch Einzelbeauftragungen sichergestellt.
Quelle: Rathausnachrichten vom 31. März 2020
TZ vom 1. April 2020